Schöne Fassade für Bush

Irak-Konferenz in Brüssel wirbt für Demokratie und Stabilität. Im US-Besatzungsgebiet verbreiten Todesschwadronen derweil Angst und Schrecken

Washington sucht händeringend Unterstützung für das Vorgehen im Irak. Bizarr dabei ist: Während George W. Bush in den USA ob der mittlerweile mehr als 1700 getöteten GIs im eigentlich doch »befreiten« Zweistromland immer mehr an Unterstützung verliert, wird die Besatzungspolitik des US-Präsidenten international zunehmend goutiert. Erklärtes Ziel der internationalen Irak-Konferenz in Brüssel am morgigen Mittwoch etwa ist die »weitere Stabilisierung« des Besatzungsgebietes und die Unterstützung des »Demokratisierungsprozesses«. Vertreter aus mehr als 80 Ländern und unzähliger Nichtregierungsorganisationen wollen an dem von der EU gesponserten Treffen teilnehmen. Die neue Übergangsregierung in Bagdad soll ein Forum erhalten, um internationale Anerkennung und Unterstützung zu erlangen. Mit anderen Worten, in Brüssel soll die Fassade gestärkt werden, die die USA vor ihr Besatzungsregime zu stellen versuchen. Allein die sonst chronisch pleite EU will dazu weitere 200 Millionen Euro beisteuern.


Drei US-Offensiven

Die Iraker selbst sind von Sicherheit und Demokratie entfernter denn je. Mit drei Offensiven versucht die US-Armee dieser Tage, wieder Herr der Dinge im Irak zu werden. Die »Operation Speer« konzentriert sich auf den äußersten Westen der Provinz Anbar, speziell die Grenzregion zu Syrien; mit der »Operation Dolch« gehen US-Truppen nach eigenen Angaben gegen Ausbildungs- und Waffenlager in einem Sumpfgebiet am Tharthar-See nordwestlich von Bagdad vor; »Operation Weißes Schild« schließlich konzentriert sich auf den Zentral- und Südirak.

In diesem Monat erschienen gleich mehrere Berichte von UN- und Menschenrechtsorganisationen, die allesamt ein verheerendes Bild von den Verhältnissen im Irak seit Bushs Machtübernahme in Bagdad zeichnen. Eindringlich warnte das UN-Entwicklungsprogramm (UNDP) in einer Studie, wie dramatisch sich die Lebensbedingungen seit Kriegsbeginn verschlechtert haben (siehe jW vom 18./19. Juni).

Der am 7. Juni präsentierte Quartalsbericht von UN-Generalsekretär Kofi Annan warnte ebenso wie die Analysen von Amnesty International und des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) vor Justizwillkür: Danach sind im Irak mehrere tausend Menschen widerrechtlich eingesperrt, ohne Rechtsbeistand und die Möglichkeit, sich vor Gericht zu rechtfertigen. Die US-Truppen und irakische Einheiten werden für die Anwendung »exzessiver Gewalt« an Checkpoints sowie bei Hausdurchsuchungen scharf kritisiert.


Die gefürchtete Polizei

Neben den regulären Armeen und Polizeikräften im Dienste der US-Besatzer sind unter der Ägide von Expremier Ijad Allawi zudem mehrere paramilitärische Einheiten aufgebaut worden. Die wichtigsten dabei sind die »Special Police Commandos« (SPC), die stark an die rechten kolumbianischen Todesschwadronen erinnern (siehe dazu junge Welt vom 19.5.2005). Pate beim Aufbau standen US-Berater, die in Süd- und Mittelamerika Erfahrungen im »schmutzigen Krieg« gegen Befreiungsbewegungen gesammelt hatten.

Diese Milizen wurden schnell berüchtigt für ihre Brutalität. Und: Seit Aufstellung der Sonderpolizeieinheiten mußten zahlreiche Morde konstatiert werden – und ausgerechnet in den Gebieten, in denen die SPC operativ eingesetzt waren. Am deutlichsten wurde dies in der nordirakischen Stadt Mosul, wo die Todesschwadron seit Ende Oktober aktiv ist. Bei Razzien wurden dort Dutzende Männer im waffenfähigen Alter gefangengenommen. Augenzeugen berichteten, wie diese gefesselt und mit verbundenen Augen abgeführt und nicht wieder gesehen wurden. In den darauffolgenden Wochen wurden in der Region mehr als 150 Leichen von Männern gefunden, die meisten durch Kopfschuß exekutiert. Die US-Truppen behaupteten in ihren Kommuniquees, es würde sich um Angehörige der irakischen Hilfstruppen handeln. Doch trugen alle Opfer zivile Kleidung, und sie waren schwer zu identifizieren.

Ähnliche Vorfälle wurden aus der Gegend um Samarra sowie aus den Orten Suwayra, Mardaen und Al Kaim kurz nach Beginn der »US-Operation Blitz« gemeldet. In Bagdad führte eine Welle von Morden mittlerweile zu konkreten Anklagen gegen die neuen irakischen Sicherheitskräfte, insbesondere die SPC. Anfang Mai war in der irakischen Hauptstadt ein Massengrab mit 14 Toten gefunden worden. In diesem Fall konnten Familien die Opfer identifizieren. Allesamt waren sie Bauern, die bei einer Razzia auf einem Gemüsemarkt gefangengenommen worden waren.

Joachim Guilliard / Rüdiger Göbel

junge Welt vom 21.6.2005

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