Gewehr bei Fuß

Die deutsche Heeresindustrie bereitet sich auf ihren Zusammenschluss auf nationaler Ebene vor. Dabei beansprucht der Rüstungskonzern Rheinmetall die Führung für sich.

Von dieser Basis aus solle der deutschen Rüstungsindustrie bei der angestrebten weiteren Konzentration der Heeressparte auf europäischer Ebene eine "ihr gebührende Rolle" gesichert werden, verlangt der Militärexperte der staatsfinanzierten vorgeblichen Friedensorganisation "Bonn International Center for Conversion" (BICC). Dazu müsse die Bundesregierung politische Initiativen zur Schwächung der Konkurrenten ergreifen und eine "politisch und moralisch begründete Rüstungsdiplomatie" einleiten, heißt es beim BICC: Berlin habe den weltweiten Rüstungsexport der deutschen Konzerne noch stärker zu fördern und als Mittel der Außenpolitik einzusetzen.

Der Düsseldorfer Rüstungs- und Autozulieferkonzern Rheinmetall will in diesem Jahr die Früchte des tief greifenden Konzernumbaus ernten und richtet sich auf "profitables Wachstum" aus. Für das laufende Jahr erwartet das Unternehmen ein Umsatzwachstum von fünf Prozent, die Militärsparte soll sogar überdurchschnittlich zulegen. Auch Wachstum durch Zukäufe und Joint Ventures sei nicht ausgeschlossen, heißt es.

Gestaltungsfreiheit

Anders als in der Luft- und Raumfahrt (EADS) und bei den Werften ist es den deutschen Heeresausrüstern trotz dringlicher Forderungen der Bundesregierung bisher nicht gelungen, sich auf nationaler Ebene zusammenzuschließen. Berlin arbeitet schon seit Jahren an einer Konsolidierung der deutschen Heeresindustrie, die dann in Europa eine führende Rolle übernehmen soll. Durch den Ausstieg des bisherigen Großaktionärs Röchling bei der Rheinmetall AG ist jetzt der Weg für weitere Fusionen frei geworden. Rheinmetall will die deutsche Heeresindustrie nun in eine nationale Allianz unter ihrer Führung bringen: "Wir haben jetzt die Gestaltungsfreiheit, um eine Schlüsselposition einzunehmen, und stehen Gewehr bei Fuß", erklärte der Vorstandschef Klaus Eberhardt. Im Gespräch ist eine Fusion von Rheinmetall mit dem Münchner Panzerbauer Krauss-Maffei Wegmann (KMW).

Nationale Konsolidierung

Sicherheitspolitiker und Konzernstrategen erarbeiten bereits Pläne für europaweite Fusionen nach dem Vorbild des deutsch-französischen Rüstungs-konzerns EADS, der als Interessent für den Erwerb des Röchling-Anteils bei Rheinmetall (ca. 42,1 Prozent) gilt. Für möglich gehalten wird sogar eine Bündelung aller drei Rüstungssparten (Luft- und Raumfahrt, Werftenindustrie und Heerestechnik) unter dem Dach der EADS. Die Bundesregierung will aber zunächst die "eigenständige nationale Industriebasis" stärken, um die europäische Führungsposition für sich beanspruchen zu können ("Durch nationale Konsolidierung zu einem starken deutschen Partner im europäischen Verbund"). Rheinmetall unterstützt nach den Worten des Vorstandschefs den Vorschlag der Bundesregierung, zunächst eine innerdeutsche Konsolidierung zu schaffen. In Frankreich etwa seien die Firmen noch nicht reif für Fusionen, zunächst müsse in französischen Betrieben der Staatsanteil zurückgefahren werden, heißt es.

Einklang

Während die deutsche Heeresindustrie sich zusammenschließt, soll die Bundes-regierung den Boden für deren Expansion bereiten und die Rüstungsmärkte anderer Staaten für Übernahmen öffnen. Dies verlangt eine Studie einer deutschen Organisation, die angeblich "Frieden und Entwicklung" fördert. Das 1994 gegründete "Bonn International Center for Conversion" (BICC) wird von staatlichen Stellen finanziert und geführt: Gesellschafter sind die deutschen Bundesländer Nordrhein-Westfalen (NRW) und Brandenburg, die NRW.BANK und die Landesentwicklungsgesellschaft NRW, die institutionelle Kernförderung zahlt das Land Nordrhein-Westfalen. Das BICC bezeichnet sich selbst als "unabhängige gemeinnützige Organisation", die ,,Beziehungen zur Bundesregierung unterhält, aber hinsichtlich ihrer Perspektiven und Aktivitäten global handelt". Die Tätigkeit der deutschen Vorfeldorganisation zielt insbesondere auf UN-Institutionen, Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit und regionale Organisationen in Afrika, Lateinamerika und Asien. Das BICC, das für sich in Anspruch nimmt, mit seiner Arbeit "die Anliegen der nationalen Sicherheit mit der menschlichen Sicherheit im weiteren Sinne in Einklang zu bringen", ist maßgeblich an der Entwicklung der "zivil-militärischen" Kooperation beteiligt, der Einbindung von "Nichtregierungsorganisationen" in die Auslandseinsätze der Bundeswehr.

Gewerkschaft

Das Strategiepapier des BICC zum EU-Rüstungsmarkt entstand im Rahmen eines Forschungsprojekts ("Perspektiven der deutschen Heeresindustrie im Rahmen alternativer Szenarien"), das von der gewerkschaftlichen Hans-Böckler-Stiftung gefördert wird. Projektpartner sind der "Arbeitskreis Wehrtechnik" der deutschen IG Metall, der eng mit der deutschen Rüstungsindustrie kooperiert, sowie der Europäische Metallgewerkschaftsbund EMB, der mit einem IG-Metall-Vertreter (Peter Scherrer) als Generalsekretär rund sechs Millionen Mitglieder in 58 Gewerkschaften vertritt.

Deutsche Führungsrolle

Erklärtes Ziel der Projektarbeit ist es, der Expansion der deutschen Heeres-industrie zuzuarbeiten. Dies gilt als dringlich, da die US-Industrie derzeit verstärkt bemüht sei, führende europäische Hersteller aufzukaufen. Daraus erwachse die Gefahr, dass "der deutschen Heeresindustrie zunehmend weniger Optionen für grenzüberschreitende Fusionen in Europa übrig bleiben", heißt es in der Projektbeschreibung. Das sei besonders bedenklich, weil die Bundesregierung bei einer europäischen Lösung dieser immer noch national fragmentierten Sparte eine deutsche Führungsrolle anstrebt". Der Rüstungsexperte des BICC (Hartmut Küchle) sieht in erster Linie die Bundesregierung in der Pflicht, "die Rüstungsindustrie als strategische Branche und Instrument der Außenpolitik (zu) begreifen und durch eine aktive Industriepolitik (zu) unterstützen". Die rüstungsindustrielle und -technologische Basis des Landes sei "Voraussetzung für Mitsprache und Einfluss nicht nur bei der anstehenden Neustrukturierung der europäischen Rüstungsindustrie und der Entwicklung strategischer Tech-nologien, sondern darüber hinaus auch bei der politischen Neugestaltung Europas".

Kampfziel

Als Haupthindernis für die deutschen Expansionsbestrebungen gelten Küchle die nationalen Regierungen mit Staatseigentum an Rüstungsunternehmen (insbesondere Frankreich), die bei grenzüberschreitendem Wettbewerb Beschäftigungsabbau in angeblich maroden Betrieben und den Verlust eigener Standorte fürchteten. Deren "nationalistisch motivierter Protektionismus" sei zu überwinden, da er "zu Lasten der leistungsfähigen privaten deutschen Unternehmen und ihrer Beschäftigten und zu Lasten Deutschlands als Technologiestandort" gehe. Küchles besonderes Augenmerk gilt dem Artikel 296 des EU-Vertrages von Amsterdam, der besagt, dass jeder Mitgliedsstaat die Maßnahmen ergreifen kann, "die seines Erachtens für die Wahrung seiner wesentlichen Sicherheitsinteressen erforderlich sind, soweit sie die Erzeugung von Waffen, Munition oder Kriegsmaterial oder den Handel damit betreffen". Der Erhalt des Artikels und seine Überführung in die europäische Verfassung verhindere, dass "die unrentablen, am staatlichen Tropf hängenden Betriebe zugunsten der leistungsfähigen Unternehmen durch freien Wettbewerb aus dem Marktprozess ausscheiden müssen". Wenn die Bundesregierung die Abschaffung des Artikels 296 nicht als "vitales nationales Interesse, für das es zu kämpfen lohnt", begreife, dann sei zu befürchten, dass es nur unzureichend gelinge, der deutschen Heeresindustrie die "ihr gebührende Rolle" zu sichern.

Rüstungsdiplomatie

Auch den weltweiten Rüstungsexport der deutschen wehrtechnischen Industrie habe Berlin im wohlverstandenen Eigeninteresse noch stärker als bisher zu fördern, so die BICC-Studie: "Wer einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat anstrebt, der muss Weltordnungspolitik machen wollen - und auch machen können." Deshalb solle Deutschland "eine politisch und moralisch begründete Rüstungsdiplomatie als Instrument der Außenpolitik praktizieren, so dass der Export (...) dazu beitragen könnte, Einfluss in der Welt zu nehmen".

Informationen zur deutschen Außenpolitik vom 9.4.2005

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