»Party und Kriegsgerät vertragen sich nicht«

Kieler Woche wird intensiv für Marinepropaganda genutzt. Protestaktion gegen die Zurschaustellung des Militarismus. Ein Gespräch mit Claas Kunze*

F: Die zur Zeit (18. bis 26. Juni) stattfindende »Kieler Woche« in Schleswig-Holsteins Landeshauptstadt ist nicht nur wie üblich ein Highlight des internationalen Segelsports, sondern auch – wie ebenfalls üblich – eine große Flottenparade. Die SDAJ hat mit einer Aktion dagegen protestiert.

Ja, wir haben an der Tirpitz-Mole, das heißt, vor Kiels Marinehafen, Transparente hochgehalten und Flugblätter verteilt. Dort liegt zur Zeit unter anderem die Fregatte »Hamburg«, das neueste und modernste Kriegsschiff der Bundesmarine. Es hat 800 Millionen Euro gekostet und wurde letztes Jahr in Dienst gestellt. Während die »Hamburg« für Besucher zur Besichtigung freigegeben ist, will die US-Navy, die ebenfalls zur Kieler Woche gekommen ist, lieber keine Zivilisten an Bord lassen. 100 Soldaten sind mit Schnellfeuerwaffen zur Bewachung aufgestellt, während einige Dutzend Meter entfernt Tausende Menschen, die üblicherweise zur Kieler Woche kommen, am Ufer entlang flanieren.

F: Ist die US-Navy stark vertreten?

Drei Schiffe haben die USA geschickt: den Zerstörer »Cole«, den Kreuzer »Anzio« und das Docklandungsschiff »Tortuga« mit »kampferprobter Marineinfanterie« an Bord, wie es zynisch heißt. Insgesamt sind 1100 Soldaten gekommen, womit die USA das größte ausländische Kontingent stellen. Auch viele andere Staaten haben Kriegsschiffe geschickt, zum Beispiel Kanada, Frankreich, Dänemark, Estland, Litauen und Spanien. Ein Teil davon hatte letzte Woche bei einem NATO-Manöver in der Ostsee den »Kampf gegen Terroristen« geprobt.

F: Was wollten Sie mit Ihrer Aktion erreichen?

Wir wollten gegen diese Zurschaustellung des Militarismus protestieren. Alle Jahre wieder wird beim sogenannten Open Ship der letzte Schrei an mörderischen Waffen stolz dem Publikum präsentiert. Wir finden, daß sich Party und Kriegsgerät nicht miteinander vertragen. Außerdem wollten wir darauf hinweisen, daß das für Rüstung ausgegebene Geld viel nötiger für Bildung gebraucht wird.

F: Wie haben die Besucher auf die Aktion reagiert?

Die meisten mit Desinteresse. Die wollten nur die Technik sehen. Einige haben uns angepöbelt, andere haben Diskussionen angefangen. Von einigen wenigen Passanten gab es auch Zustimmung, aber die wollten die Schiffe sowieso nicht besichtigen.

F: Neben den vielen Marinefahrzeugen gibt es auch eine neue Ausstellung der Bundeswehr zu ihrem 50jährigen Bestehen zu sehen.

Ja. Es sind unter anderem ein Raketenwerfer und Panzer aufgebaut, in denen kleine Kinder herumturnten. Dazu eine Reihe von Schautafeln, auf denen für die Bundeswehr geworben wird. Das Ganze ist eine Art Wanderausstellung, die zur Zeit durch die Bundesrepublik tourt. Die Bundeswehr tritt immer häufiger auf Jugendmessen, Festivals und Veranstaltungen wie der Kieler Woche auf. Man will sich den Jugendlichen, die keinen Ausbildungsplatz haben und damit rechnen müssen, in ihrem Leben nicht mehr aus den unzähligen Praktika und Warteschleifen herauszukommen, als krisensicherer Ausbilder präsentieren. Die Bundeswehr brüstet sich damit, für über 60 Berufe auszubilden. Was sie zumeist verschweigt, ist, daß eine Verpflichtung für mindestens acht Jahre Voraussetzung für eine Ausbildung bei der Bundeswehr ist. Außerdem muß man sich zu Auslandseinsätzen bereit erklären.

F: Plant die Kieler SDAJ weitere antimilitaristische Aktionen in nächster Zeit?

In Schönberg, einem größeren Dorf in der Nähe Kiels, wird es Ende Juli ein Sportfest geben, bei dem die Bundeswehr als Hauptsponsor auftritt. Dagegen werden wir sicherlich etwas machen. Außerdem ist in Lütjenburg, einer Kleinstadt in Ostholstein, demnächst eine öffentliche Rekrutenvereidigung. Auch da wird es wahrscheinlich Proteste geben.

* Claas Kunze ist Mitglied der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ) in Kiel.

Interview: Wolfgang Pomrehn

junge Welt vom 23.6.2005

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