Der Soldat im Unterhaltungsformat

Verflechtungen zwischen Journalismus und Militär verändern die politische Kultur

Öffentlich bisher kaum wahrgenommen schreitet eine Veralltäglichung des Militärischen und des Krieges in weitgehend unspektakulären Prozessen auch in Deutschland voran. Der Begriff „Banal Militarism“ beschreibt Entwicklungslinien, die auch in ‚Friedenszeiten’ zu Kooperationen militärischer Institutionen mit Software-, Medien- oder Unterhaltungsindustrie führen und damit zu Veränderungen der politischer Kultur beitragen, die weit über die – vorrangig in Kriegszeiten – häufig thematisierten Verflechtungen zwischen Journalismus und Militär hinausgehen.

Während auch hierzulande US-amerikanische Kriegsfilme zum Angebot der Kinounterhaltung gehören, sieht man deutsche Soldaten in den Kinosälen bisher nur selten. Soldatenglück und Gottes Segen von Ulrike Franke und Michael Loeken (Untertitel: Über das Leben im Einsatz) war die erste abendfüllende Kino-Dokumentation über den Auslandseinsatz deutscher Soldaten; inzwischen wurde sie mehrfach im Fernsehen ausgestrahlt. So können die Zuschauer auch vom Sofa aus KFOR-Soldaten im Kosovo Skat spielen und Schuhe putzen sehen. In der weitgehenden Simulation einer Alltagsnormalität, die den Daheimgebliebenen den Eindruck eines kalkulierbaren Risikos vermittelt, liegt die zentrale Botschaft des Films.

Dass US-amerikanische Filmproduktionen wie „Top Gun“ und „Air Force One“ auf einer Zusammenarbeit ziviler und militärische Akteure beruhen, ist inzwischen ebenso bekannt wie die Tatsache, dass deren Intensität seit den Anschlägen vom 11. September zugenommen hat: Für „Der Anschlag“ stellte das Pentagon beispielsweise diverse F16-Bomber, einen Flugzeugträger mit 80 Flugzeugen und Besatzung, eine fliegende Kommandozentrale in einer umgebauten Boeing 747 sowie ein Heer an Beratern. Der Produzent Jerry Bruckheimer erhielt erneut die Unterstützung des US-Militärs, um mit Black Hawk Down ein Plädoyer maskuliner Opferbereitschaft zu liefern, das dem Tod heroische Bedeutungen zuweist.

Im Medienalltag salonfähig

Der Soldat im Unterhaltungsformat ist aber auch in Deutschland nicht ganz ungewöhnlich: Bis zu Beginn der 90er Jahre trat der deutsche Soldat zwar nur vereinzelt auf dem Fernsehbildschirm auf – Til Schweiger etwa spielte in „Die Lindenstraße“ einen Rekruten. 1994 startete die ARD „Nicht von schlechten Eltern“, eine Familienserie um Marineangehörige; 1995 (wiederholt 2002) leistet der Sohn der Familie in „Unser Charly“ (ZDF) Wehrdienst bei der Marine. Seit 1997 wurden im ZDF rund 50 Folgen der Serie „Die Rettungsflieger“ ausgestrahlt (mit Wiederholungen Mitte 2003). Die Bundeswehr stellte für die Dreharbeiten Hubschrauber, Piloten, Beratung und Schulungen bereit. Im Frühjahr 1999 zeigte der Sender ProSieben elf Folgen der Serie „Jets – Leben am Limit“. Die Ausstrahlung der ersten Folge am 21. Februar fiel zeitlich mit der Debatte über den Einsatz der Bundeswehr – u.a. von TornadoJets – zusammen. Soldatische Tugenden, harte Ausbildung und treue Männerkameradschaft, die „Erotik“ des Kampfjets werden begleitet von kernigen Sprüchen der jungen Kampfpiloten. Inzwischen spricht die Bundeswehr zufrieden davon, dass sie auch im Medienalltag „salonfähig“ geworden sei.

Mit Doku-Soaps schreibt man die gesellschaftliche Normalisierung des Militärischen fort: „Frauen am Ruder“ (WDR) stellte das erste Ausbildungsjahr von vier Offiziersanwärterinnen an Bord des Schulschiffs „Gorch Fock“ dar. Die Produktion „Feldtagebuch – Allein unter Männern“ (SWR) über die Ausbildung von vier Frauen in einem Panzergrenadierbataillon stieß zunächst bei der Bundeswehr auf deutliche Kritik; später wurde sie unter dem sinnfälligen Titel „Attacke! Frauen ans Gewehr“ gekürzt und mit verändertem Material ausgestrahlt.

Nicht nur in medialen Unterhaltungsangeboten sind die Existenz der Bundeswehr und ihre Beteiligung an Kriegen selbstverständlich geworden. Gab es in den unmittelbaren Nachkriegsjahren noch eine weitgehende, wenn auch nicht immer antimilitaristisch motivierte Ablehnung einer Wiederaufstellung deutscher Streitkräfte, so wurde in den fünfziger Jahren in einem konflikthaften Prozess der Aufbau der Bundeswehr und die Wiederbewaffnung gegen heftige Proteste durchgesetzt. Dies war auch ein erster Schritt zur Remilitarisierung der Gesellschaft und ihrer politischen Kultur. Bis Anfang der achtziger Jahre führten insbesondere einzelne Aufrüstungsvorhaben, Manöver oder öffentliche Gelöbnisse noch zu Protestaktionen. Seit Mitte der achtziger Jahre wurde der Einsatz der deutschen Streitkräfte als Mittel der Außenpolitik stärker betont, was in den neunziger Jahren dann eine weitgehende gesellschaftliche Akzeptanz der Beteiligung der Bundeswehr an Kriegseinsätzen erleichterte, obwohl diese nicht der Verteidigung des Territoriums der Bundesrepublik Deutschland dienten.

Diese Entwicklung einer „politischen Kultur des Krieges“ – so der jüngst verstorbene Soziologe Michael Schwab-Trapp in seinem Buch ‚Kriegsdiskurse’ – wäre undenkbar, könnte die Bundeswehr nicht auf ein hohes Maß an Anerkennung in der Bevölkerung vertrauen.

Kulturelle Akteure und Militär

„Was Gerri Harriwell und Britney Spears können, kann ich schon lange“ verkündete die junge Radio-Energy-Moderatorin Freddy aus Leipzig, als die Bundeswehr sie in den Kosovo einlud. „Das war mein Dienst am Vaterland“, so erläutert die 23jährige ihre Motive, die sie in die Transall der Bundeswehr steigen und vor Soldaten in Raijlovac auf die Bühne treten ließ: Obwohl die soldatischen Blicke „na ja, halt, männlich, ne, sehr animalisch“ gewesen seien, hält sie seitdem den Kontakt zur Truppe.

Truppenbetreuung kann als etablierte, vielleicht sogar als genuine Form von ‚Militainment’ gelten. Wurde in Deutschland noch Anfang der achtziger Jahre unter Truppenbetreuung vor allem das Angebot einer attraktiven Freizeitgestaltung an den Standorten der Bundeswehr verstanden, so wird die Bundeswehr angesichts der zunehmenden Bedeutung der Auslands- bzw. Kriegseinsätze in diesem Bereich stärker aktiv: Truppenbetreuung umfasst nun neben fortlaufenden Angeboten, wie zum Beispiel Satellitenfernsehen, Kino, der Bereitstellung von Sportgeräten oder dem telefonischen Kontakt zu den Angehörigen zunehmend auch kulturelle Dienstleistungen. Aber auch die Akteure der Kulturindustrie betrachten und nutzen ihre Auftritte ‚an der Front’ im Sinne einer Imagewerbung: Gunter Gabriel will mit seinen Auftritten bei den deutschen Streitkräften im Kosovo nicht nur einer – wie er sagt – „sozialen Randgruppe“ für deren gefährliche Arbeit Anerkennung zollen. Sein Soldatenlied „Es steht ein Haus im Kosovo“ singt er unterdessen auf vielen Konzerten, da das „ankommt“; und er ärgert sich, dass er nicht noch zusätzlich zu der rockigen eine „softe Folkversion“ des Songs auf CD produziert hat, die sich besser an ein weniger junges Publikum verkaufen ließe.

Bislang werden die Verflechtungen zwischen kulturellen Akteuren und Akteurinnen und Militär in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen, während innerhalb der Streitkräfte jeder Auftritt ein besonderes Ereignis ist und von Seiten der Bundeswehr das Interesse an kontinuierlicher Kooperation besteht, die nicht nur in die Truppe, sondern auch in die Gesellschaft – hier im Sinne eines positiven Imageeffektes – wirken soll.

Auf ihrer Homepage speziell für die Jüngeren warb die Bundeswehr unter der Überschrift „Musix. Meet and Compete“ für die Teilnahme an „BW-Musix ‘03“ vom 19. bis 21. September 2003 in Dillingen. Nach dem Vorbild der Talentwettbewerbe wie „Deutschland sucht den Superstar“ oder „Star Search“ waren junge Leute zwischen 14 und 24 Jahren eingeladen, um in fünf Kategorien „um die Wette zu musizieren“. Als Gewinne lockten die eigene CD-Produktion, Live-Auftritte mit der Bundeswehr-Bigband oder Ausbildungsaufenthalte beim Musikkorps der Bundeswehr. Der Bürgermeister Dillingens hatte den Ort für ein Wochenende zur „Musikhauptstadt“ Deutschlands erklärt. Welch glückliche Symbiose in Sachen Imagewerbung, Nachwuchsrekrutierung und Aussicht auf preisgünstige Truppenbetreuung.

Solch öffentliches Auftreten, aber auch die Hilfseinsätze beim Oder-Hochwasser, Wanderausstellungen mit Kriegsgerät („Unser Heer“), die vielfältigen Formen von ‚Militainment’ oder die Präsentation der Bundeswehr mit einem großen Stand bei der Leipziger Buchmesse tragen dazu bei, dass die Existenz von Militär, der damit verknüpfte Verbrauch gesellschaftlichen Reichtums sowie die erheblichen staatlich kontrollierten Gewaltmittel meist unhinterfragt bleiben. Ein Begriff, der diese mehrheitlich als selbstverständlich wahrgenommene Situation auf den Punkt bringt, fehlt jedoch.

Der „Banal Militarism“

Wie der englische Sozialwissenschaftler Michael Billig festgestellt hat, sind Auslassungen in der Sprache des Politischen selten zufällig und absichtslos. In Anlehnung an seine Überlegungen, die in alltäglichen Handlungen und Diskursen stattfindende Reproduktion des Nationalstaates bzw. der Nation als „banal nationalism“ zu bezeichnen, kann für die entsprechenden Mechanismen, die die Existenz von Militär, sein öffentliches Auftreten und seinen Anspruch auf Bereitstellung öffentlicher Mittel legitimieren, der Begriff des „Banal Militarism“ Verwendung finden. „Banal Militarism“ umfasst mehr als eine „politische Kultur des Krieges“ und wird – wie der Nationalismus – sowohl von den sogenannten gesellschaftlichen Eliten wie auch von Teilen der Bevölkerung reproduziert; er findet sich in Gestalt der zahlreichen, an Bahnhofskiosken erhältlichen Bücher und Broschüren über Waffensysteme ebenso wie als Kriegsspielzeug in den Spielwarenabteilungen der Kaufhäuser. Die Kulturindustrie stellt eine Vielzahl von Medien bereit, die es jedem Interessierten erlauben, sich – zumindest zeitweise und via Einübung in entsprechende Deutungs- und Wahrnehmungsweisen bzw. -praktiken – als militärischer Stratege, Spezialagent, Kämpfer oder auch Killer zu betätigen. In kapitalistisch verfassten Gesellschaften verbreiten sich hegemoniale Ideen am nachhaltigsten, wenn sie – als emotionalisierende Erlebnisangebote gestaltet und in Waren transformiert – medial angepriesen und in den Geschäften verkauft werden sowie auf dem Marktplatz für Nachrichten, Spiele, Musik, Kunst und Literatur zirkulieren. Es geht also nicht um die – klischeehaft in Pickelhaube und soldatischem Imponiergehabe überlieferten und heute so anachronistisch wirkenden – Extreme, sondern um die Veralltäglichung des Militärischen (und Kriegerischen) in unspektakulären Prozessen und Aneignungen.

Tanja Thomas, Fabian Virchow
Die Autorin ist Juniorprofessorin für Kommunikationswissenschaft und Medienkultur an der Universität Lüneburg, der Autor Soziologe und Lehrbeauftragter an der FH Kiel

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