Irak: Kein sicherer Platz für Journalisten

Unruhe in den amerikanischen Medien über den Rücktritt des CNN-Nachrichtenchefs

VON EVA SCHWEITZER

Die amerikanische Medienszene kommt nicht zur Ruhe nach dem Rücktritt von CNN-Nachrichtenchef Eason Jordan. Noch eine gute Woche danach streiten sich Journalisten und Medienexperten darüber, ob Jordans Abgang gerechtfertigt war oder ob sich CNN zu schnell hat ins Bockshorn jagen lassen. Der Streit geht auch darum, ob die Blogger, deren Druck die Demission mitbewirkt hat, inzwischen nicht zu viel Macht haben. "Zeitungen, TV-Sender und Magazine werden wohl nicht so bald von der Bildfläche verschwinden, aber ihre Glaubwürdigkeit ist unter Beschuss - und eine Serie selbst zugefügter Wunden hat dem nicht gerade abgeholfen", befand Howard Kurtz, der Medienkolumnist der Washington Post.

Niemand musste sich verantworten

Eason Jordan, 23 Jahre lang bei CNN, hatte am 11. Februar zurücktreten müssen, weil er - hinter verschlossenen Türen auf dem weltökonomischen Forum in Davos in der Schweiz - gesagt hatte, dass das US-Militär gezielt auf Journalisten in Irak schieße. Im Irakkrieg sind bisher 54 Journalisten umgekommen, davon haben drei für CNN gearbeitet. Viel wichtiger allerdings als Jordans Karriere sei - so formuliert es einzig die linke Zeitschrift The Nation - warum sich bisher niemand in der US-Regierung für die in Irak getöteten Journalisten habe verantworten müssen.

Das Erstaunliche an dem Fall ist, dass niemand bisher genau weiß, was Eason Jordan überhaupt gesagt hat. Er hatte in der Schweiz nicht öffentlich gesprochen und danach jeden Kommentar dazu abgelehnt.

Lediglich gegenüber der Washington Post sagte er zwei Wochen nach dem fraglichen Äußerungen, er habe niemals behauptet, das US-Militär schieße gezielt auf Journalisten. Es gibt zwar eine Videoaufzeichnung von dem Treffen, an dem auch einige Abgeordnete der Demokraten teilgenommen haben, aber das Band wurde nicht veröffentlicht.

Trotzdem haben rechte Blogger bereits Stunden nach Jordans Äußerungen Alarm im Internet geschlagen und behauptet, der CNN-Mann habe die Truppen beleidigt. CNN gilt in den USA als liberaler - und das bedeutet dort: linker - Sender, und ist deshalb zur Zielscheibe von Konservativen geworden.

Nachrichtenchef Jordan bot schließlich seinen Rücktritt an, um "Schaden von dem Sender abzuwenden", und CNN nahm die Demission eilends an, in der Hoffnung, dass das die Gemüter beruhige. Weit gefehlt. "Jordan hat nur Holz in das Feuer geworfen, das er eigentlich löschen wollte", sagte Steve Lovelady von der Fachzeitschrift Columbia Journalism Review. Gleichwohl hielt sich die Solidarität der Kollegen in Grenzen.

Die Los Angeles Times verstieg sich zur Formulierung, Jordan habe in dummer, aufrührerischer Art die "Ehre der Truppe besudelt". Eine Entschuldigung sei aber hinreichend, der Rücktritt sei übertrieben gewesen. Das Wall Street Journal fand Jordans Bemerkungen "unentschuldbar", forderte aber ebenfalls nicht seinen Kopf.

Lediglich der linke Medienkritiker Danny Schechter sagte, der Fall zeige vor allem die Ängstlichkeit der Nachrichten-Organisationen, wenn es um sensible Angelegenheiten und die Regierung gehe. Schechter fürchtet, dass Jordans Rücktritt Kritiker der Bush-Regierung noch weiter einschüchtern werde.

Der Nation blieb es vorbehalten, auf das wirkliche Problem hinzuweisen: die 54 bisher in Irak getöteten Journalisten. Ein Beispiel sei Tareq Ayyoub, ein Korrespondent von Al Dschasira, der am 8. April 2003 von Kampfflugzeugen der Amerikaner getötet worden sei, als er auf dem Dach seines Hotels stand. Angeblich habe es von dort Feuer gegeben, dies hat das Militär aber nie beweisen können. Am gleichen Tag habe die US-Army auf das Hotel Palestine gefeuert, in dem mehr als hundert Journalisten lebten, die nicht bei der Army "embedded" waren, und zwei Korrespondenten von Reuters umgebracht. Daraufhin erklärte Pentagon-Sprecherin Victoria Clarke, Bagdad sei eben kein sicherer Platz für Journalisten.

Militärzensur schwer zu umgehen

BBC-Nachrichtensprecher Nik Gowing sagte, er habe von vielen Kollegen gehört, dass das Militär das Leben für "uneingebettete" Journalisten so schwer wie möglich machen will. Nur wer nicht eingebettet ist, kann die Militärzensur umgehen.

Bisher hat es noch keine einzige disziplinarische Maßnahme gegen US-Soldaten gegeben, die Journalisten getötet haben, berichtete Nation. In einigen Fällen - etwa beim Reuters-Kameramann Mazen Dana - seien Erschießungen sogar als gerechtfertigt eingestuft worden. Das Militär habe Danas Kamera für eine Haubitze gehalten.

Andere Journalisten sind erschossen worden, während sie mit Aufständischen sprachen oder wurden stundenlang festgehalten und gefoltert. Da dies aber meistens Araber betraf, interessieren sich die US-Medien kaum dafür.

Frankfurter Rundschau, 24.2.2005

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