Tribunale gegen Krieg

US-Friedensaktivisten in Vermont wollen auf Town Meeting gegen Washingtons Politik mobilisieren. Auch in anderen Bundesstaaten Interesse an kommunalen Protestaktionen

Vermont ist der kleinste der Neu-England-Staaten an der US-amerikanischen Ostküste. Aber die Funken, die am heutigen Dienstag dort geschlagen werden, haben das Potential, auch in anderen Teilen der USA das Feuer des Widerstandes gegen die Bush-Kriege zu entfachen. In einem Fünftel der Städte Vermonts findet am heutigen Dienstag die erste Volksabstimmung der USA über die Kriege des Weißen Hauses statt. Es ist der vorläufige Höhepunkt einer Entwicklung, die erst vor wenigen Monaten begonnen hatte, nachdem einige Friedensaktivisten beschlossen hatten, es nicht bei einer einmaligen Demonstration gegen den Krieg zu belassen. Innerhalb kürzester Zeit sammelten sie in 52 der 251 Städte Vermonts genug Unterschriften, um Resolutionen über den Irak-Krieg auf die Tagesordnung der alljährlichen Town Meetings zu setzen. Die Town Meetings, die so was wie Bürgerversammlungen mit Wahlrecht darstellen, sind so alt wie die amerikanische Revolution und werden insbesondere in den Kommunen der Neu-England-Staaten als basisdemokratisches Instrument geschätzt und gepflegt.

Auf die 621 394 Einwohner Vermonts umgerechnet hat die Nationalgarde des Staates nach Hawaii mit elf im Irak gefallenen Gardisten die zweithöchste Opferzahl unter allen US-Bundesstaaten aufzuweisen. In den letzten 18 Monaten hat das Pentagon zunehmend Nationalgardisten im Irak eingesetzt. Wegen ihrer meist an Wochenenden stattfindenden Reserveübungen sind die Gardisten im Volksmund auch als »Weekend-Soldaten« bekannt. Zumeist handelt es sich um mitten im Berufs- und Familienleben stehende Väter, teils sogar Großväter, die das Pentagon zwecks Entlastung der hochspezialisierten Berufssoldaten in den Irak schickt, weil es davon ausgegangen war, daß die Reservisten bei den »relativ einfachen« Besatzungsaufgaben kaum in Gefahr sind.

Das Kalkül des Pentagon wäre aufgegangen, wenn der Krieg schnell zu Ende gewesen wäre. Aber statt dessen sorgte der Guerillakrieg dafür, daß sich in den Kommunen der USA immer mehr Menschen mit Berichten über getötete oder zu Krüppeln geschossene Familienväter aus ihrer Nachbarschaft auseinandersetzen müssen. Zum Leidwesen des Pentagon ist der Krieg auf diese Weise ins Zentrum der gesellschaftlichen Wahrnehmung gerückt und aus den anonymen Kriegsopferstatistiken sind individuelle Tragödien geworden, die von Nachbarn, Arbeitskollegen und Bekannten nachempfunden werden. In Vermont, das bereits während des Vietnamkrieges die schärfsten Kritiker hervorgebracht hatte, sei der Widerstand gegen die US-Kriege inzwischen tief verwurzelt, erklärte Ben Scotch, einer der Aktivisten aus dem Vermont-Städtchen Montpellier, im Vorfeld der Town Meetings. In dem Bundesstaat herrsche »echte Sorge über den Krieg«, und man könne »regelrecht spüren, wie sie sich ausbreitet«.

Der Wortlaut der Antikriegsresolutionen variiert von Stadt zu Stadt, aber sie alle enthalten drei von Ben Scotch ausgearbeitete Schlüsselelemente: erstens die Forderung nach einer staatlichen Kommission zur Untersuchung der Auswirkungen des Irak-Krieges auf die Kommunen, zweitens die nach einem Mitspracherecht Vermonts beim Einsatz der Nationalgardeeinheiten des Bundesstaates und drittens die Aufforderung an Präsident George Bush und den Kongreß, die US-Truppen aus Irak abzuziehen. Inzwischen gibt es bei den Aktivisten aus Vermont viele Anfragen aus den ganzen USA. Schon bald soll versucht werden, Aktionen nach dem Vorbild der Town Meetings in allen anderen Bundesstaaten zu organisieren.

Rainer Rupp

junge Welt vom 1.3.2005

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