Ramsey Clark: Warum ich Saddam verteidige

Saddam Hussein soll vor ein irakisches Sondergericht gestellt werden. Doch dem von US-Präsident Bush verteufelten Ex-Diktator droht ein unfairer Prozess. Ein ehemaliger amerikanischer Justizminister plädiert gegen die Siegerjustiz der Besatzer.

Ende Dezember 2004 reiste ich in das jordanische Amman, um mich dort mit der Familie und den Anwälten des ehemaligen irakischen Präsidenten Saddam Hussein zu treffen. Ich erklärte ihnen, dass ich mich im Rahmen meiner Möglichkeiten für seine Verteidigung einsetzen würde. Als dies in den Vereinigten Staaten bekannt wurde, sorgte die Nachricht für großes Aufsehen. Einige der Berichte waren eher neugierig, aber die meisten einfach nur ablehnend oder abfällig. „Ramsey Clark schon wieder“, schienen sie zu suggerieren. „Eine Schande, oder? Einst war er Justizminister der Vereinigten Staaten – schaut euch nur an, was er jetzt macht.“ Lassen Sie mich also erklären, warum eine Verteidigung Saddam Husseins mit all den Idealen in Einklang steht, für die ich mein ganzes Leben lang eingetreten bin, und warum ich diese Verteidigung jetzt für die richtige Entscheidung halte. Alle Menschen, die sich für Wahrheit, Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit einsetzen, werden es für selbstverständlich halten, dass Hussein und andere ehemalige irakische Funktionäre ein Anrecht darauf haben, bei ihrer Verteidigung von Anwälten ihrer Wahl beraten und vertreten zu werden.

Sowohl das Völkerrecht als auch die Verfassung der Vereinigten Staaten garantieren jeder Person, die eines Verbrechens beschuldigt wird, das Recht auf wirksame Prozessvertretung. Besonders wichtig wird dies in politisch aufgeladenen Situationen, da es hier meist noch viel schwieriger ist, für Wahrheit und Gerechtigkeit zu sorgen. Und dies ist im heutigen Irak der Fall. Durch den Krieg kamen Zehntausende von Irakern zu Tode, Präsident Bush, der diesen Krieg veranlasste, hat aus seinem Hass auf Saddam keinen Hehl gemacht und mehrfach erklärt, dass die Todesstrafe in seinem Fall angemessen wäre. Die Vereinigten Staaten, insbesondere die Bush-Regierung, haben die Verteufelung Saddams geschickt eingefädelt und besitzen ein klares politisches Interesse an seiner Verurteilung. Es wird demnach nicht leicht werden, Saddam ein faires Verfahren zu garantieren – obgleich dies so wichtig für eine zukünftige Demokratie im Irak wäre. Dieser Prozess wird in die Geschichte eingehen, die weltweite Gewaltspirale beeinflussen und Auswirkungen auf eine mögliche Versöhnung im Irak selbst haben. Seit mehr als einem Jahr wird Hussein illegal festgehalten, ohne jemals ein Familienmitglied, einen Freund oder Anwalt seiner Wahl zu treffen. Obgleich die Welt ihn wieder und wieder im Fernsehen zu sehen bekam, ist er selbst von jeder Kommunikation mit der Außenwelt abgeschlossen und von den gleichen U.S.-Militäreinheiten umgeben, die schon Gefangene in Abu Ghraib und Guantanamo Bay misshandelten.

Laut Völkerrecht muss jedes Strafgericht kompetent, unabhängig und unparteiisch sein. Dem irakischen Sondergericht fehlen diese essenziellen Eigenschaften. Schon seine Einberufung war rechtswidrig – das Werk einer illegalen Besatzungsmacht, die Saddam Hussein verteufelte und eine Regierung zerstörte, die es nun auch per Gesetz verurteilen möchte. Mit ihrer Behandlung des ehemaligen Präsidenten und der Aufstellung des irakischen Sondergerichts zu seiner Verurteilung haben die Vereinigten Staaten jegliche Hoffnung auf Rechtmäßigkeit, Fairness oder sogar Anstand vernichtet. Eines der ersten Fotos, die an die Öffentlichkeit gelangten, zeigt Saddam in unterwürfiger Kauerhaltung auf dem Boden eines leeren Raumes, über ihm drohend der damals wichtigste Protegé der USA, Ahmed Tschalabi, sowie ein Bush-Porträt an der ansonsten kahlen Wand. Das Vorhaben der Vereinigten Staaten, den ehemaligen Staatslenker in einem unfairen Prozess zu verurteilen, wurde überdeutlich, als Tschalabis Neffe den Auftrag bekam, dieses Gericht einzuberufen und ihm auch vorzusitzen. Er war gerade erst in den Irak zurückgekehrt, um dort ein Anwaltsbüro zu eröffnen – und zwar gemeinsam mit einem ehemaligen Kanzlei-partner von Douglas J. Feith, dem Staatssekretär im Verteidigungsministerium, der auf einen Sturz der irakischen Regierung gedrängt hatte und als einer der zentralen Drahtzieher der U.S.-Nachkriegsplanung gilt. Konzept, Personal, Finanzierung und Funktionen dieses Gerichts wurden von den Vereinigten Staaten bestimmt und werden weiterhin von ihnen kontrolliert. Jedes Verfahren an diesem irakischen Sondergericht würde die Justiz korrumpieren und im Irak noch mehr Hass und Wut gegen die amerikanische Besatzungsmacht schüren.

Nur ein anderes Gericht – eines, das tatsächlich kompetent, unabhängig und unparteiisch ist – könnte hier rechtmäßig urteilen. Wenn die Gleichheit aller vor dem Gesetz Bestand haben soll, müsste schließlich jedes Gericht, das eine Anklage gegen Saddam Hussein in Betracht zieht, auch über die Macht und das Mandat verfügen, Anklagen gegen Führungskräfte und Militärangehörige der Vereinigten Staaten, Großbritanniens und all der anderen Nationen zu erheben, die am Angriff auf den Irak teilgenommen haben. Keine Macht, und keine Person, darf über dem Gesetz stehen. Für einen dauerhaften Frieden müssen die Tage der Siegerjustiz beendet werden. Die Verteidigung eines solchen Falls ist eine Aufgabe von großer Wichtigkeit für die Wahrheit, die Rechtsstaatlichkeit und den Frieden. Ein Anwalt, der sich dieser Herausforderung gewachsen fühlt, sollte eine derartige Aufgabe als seine höchste Pflicht akzeptieren.

© L. A. Times / Übersetzung: Sonja Commentz

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