Die Mölders-Connection

Nichts begriffen: In Neuburg an der Donau ist ein Fliegeroberst
der Naziwehrmacht ein ehrenwerter Mann und
»Vergangenheitsbewältigung« kein Thema


Seit vor Monatsfrist verfügt wurde, daß der Naziflieger Werner Mölders aus der Liste der Bundeswehrvorbilder zu streichen ist, schlagen in Neuburg an der Donau die Wellen hoch. Die Kleinstadt ist Standort des Jagdfliegergeschwaders 74 der Bundesluftwaffe, das seit 1973 Träger des »Ehrennamens« Werner Mölders ist. Der Fliegeroberst (1913–1941) galt seither einigen Pilotengenerationen der Bundeswehr als »zeitloses Vorbild an Geist, Haltung und soldatischer Pflichterfüllung«, wie es in einer Standortbroschüre hieß. Mölders gehörte zu jenen 27 Wehrmachtsangehörigen, die während des faschistischen Welt-eroberungskrieges zum Ritterkreuz mit Schwertern und Brillanten auch noch das Eichenlaub erhielten. Seine ersten Luftsiege, 14 an der Zahl, hatte dieser Jagdflieger als Freiwilliger in der berüchtigten Legion Condor gegen die spanische Republik verbucht, sein 115. und letzter datiert aus dem Spätherbst 1941, nach dem Überfall auf die Sowjetunion.

Obwohl die Neuburger nahezu sieben Jahre Zeit hatten, von ihrem Idol Abschied zu nehmen – der Ende Januar ergangenen Weisung lag ein Bundestagsbeschluß vom April 1998 zugrunde, demzufolge Angehörige der faschistischen Legion Condor von der Traditionspflege auszunehmen sind – trieb der Erlaß von Verteidigungsminister Struck Soldaten wie Einwohner der Garnisonsstadt auf die Barrikaden. Die Regionalzeitung Neuburger Rundschau (NR) gab gewissermaßen die Marschrichtung vor und in den folgenden Tagen die herbeigeschriebene Stimmung wieder: »Schwerer Schlag fürs Jagdgeschwader 74« und »nicht nachvollziehbare Entscheidung«, schrieb sie bereits am 28. Januar, am Tag darauf wurde der »Empörung bis hin zur Fassungslosigkeit bei den Neuburger Luftwaffensoldaten« Ausdruck gegeben und mitgeteilt: »Struck-Bescheid stößt auf Widerspruch«. »Nichts Fragwürdiges ist bisher bei Mölders zu entdecken«, hieß es im NR-Kommentar zur »niederschmetternden Nachricht«. Oberst Thomas Tillich, der Geschwaderkommodore, wird zitiert (»Das kostet doch unnötiges Geld«) und mit dem CSU-Bundestagsabgeordneten Horst Seehofer auch schwereres Geschütz aufgefahren: »Werner Mölders ist nichts vorzuwerfen.« Brigadegeneral a. D. Rudolf Erlemann, der Geschwaderchef im Jahr 1973, sieht es genauso, der Namenspatron war für ihn »ein Mann des ritterlichen Kampfes«. Für Neuburgs Oberbürgermeister Bernhard Gmehling (CSU) ist eine Namensänderung nicht nur »absolut überflüssig und unangebracht«; »was er (Mölders) damals als Soldat geleistet hat, war seine soldatische Pflicht«. Auch Landrat Richard Keßler meint, daß (wenn schon nicht die Wehrmacht insgesamt, so doch) das ehrenhafte und tapfere Verhalten einzelner Soldaten auch heute noch anerkennenswert sei: »Einzelne Soldaten der Wehrmacht können daher, wenn Gesamtpersönlichkeit und -verhalten untadelig waren, sehr wohl traditionsbildend sein.« Und, bezogen auf die Bundeswehr: Der Name Mölders sei »motivationsfördernd und identitätsstiftend«.

Die solcherart Einstimmung folgenden Leserbriefe aus der Region setzen mehrheitlich noch eins drauf. Darin ist zum Beispiel von »nationaler Schande und Kulturskandal« die Rede. »Als gläubiger und praktizierender Katholik« habe Mölders »nichts zu tun mit dem Nationalsozialismus«, schreibt ein Chefarzt i. R.; der »Herr Oberst war ein beispielhafter Mensch und Soldat, der 1941 in Verteidigung des Vaterlandes gegen die Terrorflieger der Engländer und Amerikaner den Heldentod gestorben ist«. Ein anderer nennt Strucks Order »Zersetzung der Wehrkraft«: »An Werner Mölders gibt es keinen Tadel. Er hat ... mitgeholfen, daß Spanien kein sowjetischer Satellit geworden ist.« Ein Ex-»Mölderianer« droht gar mit »Strafanzeige wegen Verächtlichmachung des Andenkens Verstorbener«, möchte aber auch gerichtlich gegen all jene vorgehen, die ihn in die Nähe des Rechtsradikalismus rücken würden ...

Peter Rau

junge Welt vom 2.3.2005

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