Franz Schandl: Bush-Kriege

Erleuchtung und Bombenblitz

Wer hätte vor Jahren gedacht, daß Samuel P. Huntingtons böses Spiel so schnell Realität werden würde? Nun ist es blutiger Ernst. Wobei Krieg und Kampf der Kulturen ja nicht mehr die passenden Begriffe sind. Es sind Bestrafungsaktionen, die sich Befreiung nennen. Und die müssen nicht einmal wirklich begründet werden. Vorwände sind schnell gefunden, notfalls werden sie auch erfunden. Wenn aktuell (zu Recht oder Unrecht) unterstellt wird, daß der Iran die Atombombe bauen will, dann geht der Grund nicht der Maßnahme voraus, sondern die mögliche Maßnahme sucht sich ihre Gründe. Daß freedom and democracy selbst die Atombombe besitzen und sie als erste und einzige bisher auch eingesetzt haben, hat dieses Bewußtsein erfolgreich verdrängt.

Im Land der religiösen Eiferer und Fernsehprediger mit einer Unzahl protestantischer Sekten hat man sich voll dem Kampf gegen das Böse verschrieben. Der Gedanke von Freiheit und Demokratie werde »die ganze Welt erfassen«, droht George W. Bush und sieht schon die Cruise Missiles fliegen. Was in den USA als Erleuchtung erscheint, ist anderswo als Bombenblitz sichtbar. Vogelfrei ist jedes Regime, das dem kapitalen Polizisten nicht paßt. Vom Schock in Vietnam hat man sich endgültig erholt. Die Intervention ist ein probates Mittel wie jedes andere, und nicht einmal das letzte. Entsprechende Drohungen gehören zur Weltinnenpolitik.

Selbst den Freunden in Saudi-Arabien oder Pakistan deutet man an, was da auf sie fallen könnte, wenn sie nicht spuren. Es ist zu befürchten, daß es zu keiner Eindämmung der Konflikte im Mittleren Osten kommt, sondern zu einer Ausweitung, etwa wenn der Iran und Syrien, zweifellos zwei äußerst unsympathische Systeme, überfallen oder zumindest mit Luftschlägen bedacht werden. Die arabischen Massen werden so der islamistischen Reaktion regelrecht in die Hände getrieben, die ja schon jetzt auf diesem Glaubenskampf gedeiht. Da sind die Mullahs, denn Mullahs sind die Bush-Christen ebenso, unter sich. Wenn der unerträgliche Bush sagt, daß ein unerträgliches Regime unerträglich ist, ist das unerträglich.

Der Terror dient als Vorwand, das zu tun, was man schon immer tun wollte. Das gilt für beide Seiten. Im Ungleichgewicht des Schreckens wird auch der Widerstand gegen das Imperium immer destruktiver und bringt Regimes und Methoden hervor, die mit Emanzipation aber auch schon gar nichts zu tun haben. Das ist zweifellos tragisch, rechtfertigt aber keineswegs die Politik der USA, die ja vielmehr diesen Entwicklungen Vorschub leistet. Es ist nicht selten die eigene Satrapenzucht, die zur Räson gebracht werden muß.

Die USA sind heute der größte apokalyptische Vorreiter globaler Barbari-sierungsprozesse, und zwar aus dem banalen Umstand, weil sie die größte staatlich organisierte Kraft des Kapitals darstellen. Auch wenn es im Streit Europäische Union contra USA keine bessere Seite gibt, haben letztere aufgrund ihrer vorauseilenden Entwicklung schon ein größeres Stück Regression hinter sich gebracht als Europa. Gerade das soll nicht diskutiert werden. Als Selbstimmunisierungsstrategie dient der Anwurf des Antiamerikanismus. Etwas, das durchaus kritisierenswert ist, fungiert als argumentativer Totschläger. Ziel ist es, die Kritik an den Ungeheuerlichkeiten und Absichten zu ersetzen durch die Desavouierung jeder Kritik. Vor allem auch durchgeknallte Ex-Linke betreiben dieses liberale Geschäft.

junge Welt vom 4.3.2005

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