Ostermärsche gegen Krieg und Sozialabbau

Demonstrationen und Kundgebungen in über 50 Städten geplant. Widerstand gegen Irak-Krieg und »Krieg gegen den Terror« sowie gegen die Forcierung der Militarisierung der EU

Die deutsche Friedensbewegung rüstet sich für die diesjährigen Ostermärsche. Nach Angaben des Netzwerks Friedenskooperative in Bonn sind zwischen Karfreitag und Ostermontag in mehr als 50 Städten Protestkundgebungen, Friedensmärsche, Fahrrad-Demos und sonstige Veranstaltungen geplant.

Im Mittelpunkt der Aktionen steht die Kritik am Irak-Krieg und am »Krieg gegen den Terror«, an den deutschen Rüstungsexporten sowie an den Plänen für eine weitere Militarisierung der Europäischen Union. Etliche Aufrufe prangern auch den fortschreitenden Sozialabbau an. Die Ostermärsche erinnern zudem an das Kriegsende und die Befreiung vom Hitler-Faschismus, wie auch an die Atombombenabwürfe vor 60 Jahren. Veranstalter der Ostermärsche sind meistens örtliche Bündnisse aus Friedensgruppen, kirchlichen Initiativen, Gewerkschaften und Parteien.

»In diesem Jahr jährt sich zum sechzigsten Mal der Tag der Befreiung der Welt vom Hitler-Faschismus«, heißt es etwa im Aufruf zum Hamburger Ostermarsch. »Nach sechs Jahren Krieg mit Millionen von Toten und unsäglichem Leid einte die Überlebenden weltweit die Überzeugung: Nie wieder Faschismus – nie wieder Krieg«. Doch die Hoffnung auf eine friedliche Welt habe sich nicht erfüllt, »deshalb bleiben Mahnung und Widerstand gefordert«.

Die Organisatoren des Potsdamer Ostermarsches erinnern an den Angriff der NATO auf Jugoslawien 60 Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkriegs. »Das Waffenklirren ist wieder lauter geworden, und die Armut der Menschen wächst, selbst in den hoch entwickelten Industriestaaten«, heißt es in dem Aufruf.

Gegen die EU-Verfassung

»Eine andere Welt ist nötig, eine andere Welt ist möglich!« Beim traditionellen Ostermarsch an Rhein und Ruhr wollen die Veranstalter gegen die EU-Verfassung mobilisieren. Sie verurteilen das EU-Werk als Militärverfassung, die nicht akzeptiert werden dürfe. Sie wehren sich gegen die Einrichtung eines europäischen Amtes für Rüstung, Forschung und militärische Fähigkeiten. Laut Paragraph 41 der Verfassung müßen sich die Mitgliedstaaten verpflichten, ihre militärischen Fähigkeiten zu verbessern, sagt Felix Oerkentorp, Mitorganisator des Ostermarsches Ruhr. »Für ein friedliches und solidarisches Zusammenleben in Europa« wollen die Demonstranten von Bochum nach Dortmund laufen und mit dem Fahrrad von Essen nach Herne fahren. In Düsseldorf ist eine gemeinsame Kundgebung der Friedensbewegung aus dem Rheinland geplant.

Besondere Brisanz hat wieder der Ostermarsch im brandenburgischen Wittstock. Trotz jahrelangen Protestes der Bevölkerung soll hier ein Bombenabwurfplatz in Betrieb genommen werden. Auf dem rund 140 Quadratkilometer großen »Bombodrom« will die Luftwaffe künftig Luft-Boden-Angriffe erproben. Wie jedes Jahr startet der Ostermarsch am Sonntag in Fretzdorf, sagte ein Sprecher der Bürgerinitiative »Freie Heide«. Sie setzt sich seit Jahren für eine zivile Nutzung des Geländes ein.

Im Norden Sachsen-Anhalts, in der Colbitz-Letzlinger Heide, befindet sich seit 1997 das Gefechtsübungszentrum Heer, das modernste seiner Art in Europa. Auf einem Areal von 220 Quadratkilometern üben Hunderte Soldaten mit ihrer Kampftechnik vorwiegend für Auslandseinsätze. »Das unter der Heide liegende Trinkwasser, die seit Jahrzehnten geschändete Natur und das menschliche Friedensgebot verbieten Kriegsübungsplätze«, erklärt die Bürgerinitiative Offene Heide.

Die Ostermarschbewegung hat ihren Ursprung in Großbritannien. In der Bundesrepublik Deutschland fand der erste Ostermarsch 1960 statt, rund 1 000 Menschen protestierten damals gegen ein Raketentestgelände auf dem niedersächsischen Truppenübungsplatz Bergen-Hohne.

Lange Tradition

In der zweiten Hälfte der sechziger Jahre verzeichneten die Ostermarschierer enormen Zulauf – bedingt durch den Unmut über die Politik der Großen Koalition zwischen CDU und SPD und beflügelt durch die Proteste der Studenten. Ostern 1967 demonstrierten fast 200 000, ein Jahr später sogar 300 000 Menschen gegen Aufrüstung und gegen Pläne einer westdeutsche Atombewaffnung.

Mit der Debatte über die sogenannte Nachrüstung der NATO mit atomaren Mittelstreckenraketen erlebte die Ostermarschbewegung 1982 eine Renaissance. Vor allem an den geplanten Standorten für Cruise Missiles und Pershing-II-Raketen versammelten sich an den Ostertagen viele tausend Menschen zum Protest.

Einen neuerlichen Einbruch gab es mit dem Zusammenbruch der sozialistischen Staaten in Osteuropa. Der Friedensbewegung gelang es zunächst nicht, mit anderen Themen wie etwa den Konflikten im Nahen Osten oder in Kurdistan zu den Ostermärschen zu mobilisieren. 1994, als sich die Bundeswehr mit AWACS-Systemen an der Durchsetzung des Flugverbotes über Bosnien-Herzegowina beteiligte, nach dem NATO-Überfall auf Jugoslawien im Jahr 1999 sowie nach Beginn des Irak-Kriegs kamen dann wieder Zehntausende. Im vergangenen Jahr beteiligten sich 10 bis 15 000 Ostermarschierer an den Aktionen.

Zwischenzeitlich haben auch andere soziale Bewegungen die Aktionsform Ostermarsch für ihre politische Arbeit entdeckt. So rufen Initiativen gegen Atomkraftwerke zu Oster-Spaziergängen an den AKW-Standorten auf. Auch Flüchtlingsinitiativen erschien das Osterfest als geeigneter Termin für Kundgebungen und Aktionen gegen Rassismus.

* Alle Termine, Kontaktadressen und Aufrufe sind auf der Internetseite des Bonner Netzwerks Friedenskooperative zu finden:
www.friedenskooperative.de


Reimar Paul

junge Welt vom 22.3.2005

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