Dienstag, 5. Juli 2005

Wahltermin erneut auf der Kippe

Afghanistan als »zweites Irak«? Der Widerstand gegen US-Besatzungs-truppen und deren afghanische Verbündete wächst

Der Kampf um Afghanistan ist mit neuer Intensität entbrannt. Gerade drei Monate ist es her, da wurde das besetzte Land von Washington noch als Musterbeispiel verkauft für erfolgreiches »Nation-Building« – von US-Gnaden, war gemeint. Inzwischen gibt es fast täglich Meldungen über Gefechte, Entführungen, Exekutionen. Das Wiedererstarken der Taliban und anderer Widerstandsgruppen hätte zu keinem ungünstigeren Zeitpunkt kommen können, gerade einmal zehn Wochen vor der bereits mehrfach verschobenen sogenannten Parlamentswahl, die nun für den 18. September vorgesehen ist. Der erste Abschuß eines US-Hubschraubers mit 17 Soldaten an Bord vor einer Woche und der Verlust einer Kampfgruppe im Osten des Landes nähren die Sorge der Besatzungstruppen, daß sich Afghanistan zu einem zweiten Irak entwickeln könnte.

Am Wochenende setzte die US-Army erstmals wieder seit langem massiv Kampfflugzeuge ein. Diese bombardierten ein Gebiet, in dem sich Taliban-Kämpfer versteckt haben sollen und in dem die vermißten US-Soldaten vermutet werden. Von den gesuchten Männern fehle bislang jede Spur, sagte Militär-sprecher Jerry O’Hara. Es handelt sich um ein kleines Team von Elitesoldaten, das in der Region an der Grenze zu Pakistan im Einsatz war.

Derweil lieferten sich in der Bergwelt im Zentrum des Landes Hunderte der von den Besatzern ausgebildeten afghanischen Soldaten erbitterte Gefechte mit Taliban-Kämpfern. 25 Rebellen und sechs Soldaten seien dabei am Samstag getötet worden, verlautete aus Kabul. Die Truppen griffen ein Lager der Aufständischen in Charchino in der Provinz Urusgan an. Am Samstag suchten die Soldaten nach etwa hundert Rebellen, denen zunächst die Flucht gelungen war. »Es sind noch zahlreiche Taliban dort draußen. Wir werden sie fangen oder töten«, sagte der Gouverneur von Urusgan, Jan Mohammed Chan. Schon in den Tagen zuvor hatten Gefechte in der Region 25 Menschen das Leben gekostet. In der Provinz Paktia wurde ein Bombenanschlag auf einen Autokonvoi verübt. Vier Polizisten wurden getötet, ein Polizeichef und ein weiterer Mann wurden verletzt, wie Gouverneur Gulab Schah Mungal erklärte. Zu dem Konvoi gehörten auch Wagen der Vereinten Nationen.

Zusätzlich zu den Kämpfen steigt auch die Kriminalität. Erst vor wenigen Wochen wurde eine Italienerin in Kabul entführt, um Gefälligkeiten von der Regierung zu erpressen. Der Opiumhandel nimmt zu, und Afghanistan ist auf bestem Wege, ein Drogenstaat zu werden. Und auch der Widerstand großer Teile der Bevölkerung gegen die US-Truppen wächst. Nach Berichten über Koranschändungen in Guantanamo kam es im Mai zu blutigen Auseinandersetzungen mit mehreren Toten.

Tatsächlich wurden nach offiziellen Angaben in den vergangenen Monaten so viele Menschen wie lange nicht getötet: fast 500 mutmaßliche Rebellen, 134 Zivilpersonen, 47 »Sicherheitskräfte« und 45 US-Besatzungssoldaten. Dabei ist völlig offen, über wie viele Kämpfer die Taliban und andere Gruppen verfügen. Durch den wachsenden Widerstand gerät auch der Plan der Besatzer und ihrer Regierung immer stärker unter Druck, im September wählen zu lassen. Die NATO hat angekündigt, mit 3000 zusätzlichen Soldaten die Wahl abzusichern. Präsident Hamid Karsai versetzte die lokalen Polizeikräfte in Alarmbereitschaft, um für Attacken gerüstet zu sein.

Wie es ansonsten um die Vorbereitung der »demokratischen Wahlen« bestellt ist, verdeutlichte am Samstag die nationale Wahlkommission. Sie schloß 200 Bewerber für eine Kandidatur aus. Diese hätten Verbindungen zu bewaffneten Gruppen, verlautete aus Kabul.

Raoul Wilsterer

junge Welt vom 4.7.2005

Ermittlungen abgelehnt

Oberlandesgericht Karlsruhe: Generalbundesanwalt muß nicht gegen US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld wegen Gefangenenmißhand-lung im Irak vorgehen

Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe hat es abgelehnt, Generalbundesanwalt Kay Nehm zu Ermittlungen wegen Gefangenenmißhandlungen im Gefängnis Abu Ghraib im Irak zu verpflichten. Das Karlsruher Gericht sei in dieser Sache nicht zuständig, hieß es in einem am Freitag nachmittag veröffentlichten Beschluß des Gerichts.

Nehm hatte sich im Februar geweigert, gegen US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und andere US-Militärs wegen der Folter von Gefangenen im besetzten Irak zu ermitteln. Zuvor hatte Rumsfeld hatte am 29. November 2004 aufgrund einer von dem Berliner Rechtsanwalt und Vorsitzenden des Republikanischen Anwaltsvereins (RAV), Wolfgang Kaleck, erstatteten Straftanzeige seine Teil-nahme an der NATO-Sicherheitskonferenz abgesagt. Nehms Ablehnung, gegen ihn zu ermitteln, bewog Rumsfeld dann doch zu der Teilnahme an dem Treffen der Kriegsstrategen am 12. und 13. Februar in München.

Kaleck hatte daraufhin am 10. März eine Gegenvorstellung bei der Bundes-anwaltschaft und einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung beim Oberlandes-gericht (OLG) Karlsruhe eingereicht, um doch noch eine Anordnung zur Erhebung der öffentlichen Klage gegen Rumsfeld und Co. zu erreichen. In seinem Schreiben an Kay Nehm und das OLG begründete der Rechtsanwalt – wie bereits in seiner Strafanzeige vom vorigen Jahr – sehr ausführlich, warum gegen Rumsfeld, gegen Generäle und ranghohe Offiziere strafrechtliche Schritte einzuleiten seien beziehungsweise, warum die bundesdeutsche Justiz zur Strafverfolgung nach dem deutschen Völkerstrafgesetzbuch verpflichtet sei. So statuiere das deutsche Völkerstrafgesetzbuch in seinem Paragraphen 1 das Weltrechtsprinzip, wonach die deutschen Strafverfolgungsbehörden nach dem Legalitätsprinzip auch dann zur Verfolgung von Straftaten verpflichtet wären, wenn Taten von Ausländern gegen Ausländer im Ausland begangen werden. Eine nach den Tatbeständen des Völkerstrafgesetzbuches begangene Handlung – also Kriegsverbrechen, Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit – müsse demnach keinen Inlandsbezug aufweisen. In einer Stellungnahme vom 4. April entgegnete Generalbundesanwalt Nehm darauf nur lapidar, daß er die Zuständigkeit des OLG Karlsruhe als nicht gegeben ansehe.

Daß die deutsche Strafverfolgungsbehörden die Vorwürfe gegen Rumsfeld und Co. nicht ignorieren können und nach dem Völkerstrafgesetzbuch auch zur Strafverfolgung verpflichtet sind, belegte Kaleck dann am 15. April mit einem – schon in seinem Klageerzwingungsantrag angekündigten – völkerrechtlichen Gutachten, das die Völkerrechtler Prof. Dr. Michael Bothe und Dr. Andreas Fischer-Lescano von der Goethe-Universität Frankfurt/Main erstellt hatten. In ihrem 17seitigen Statement kommen auch sie zu dem Ergebnis, daß nach Völkergewohnheitsrecht die Befugnis eines jeden Staates, also auch Deutschlands, besteht, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord nach dem auch in Paragraph 1 des am 30. Juni 2002 in Kraft getretenen Völkerstrafgesetzbuches enthaltenen Weltrechtsprinzip strafrechtlich zu verfol-gen. Nach ihrer Ansicht komme es dabei auf den Tatort oder die Staats-angehörigkeit von Täter und Opfer außerdem nicht an.

Bothe und Fischer-Lescano gaben zu verstehen, daß der Grundsatz der Sub-sidiarität zwar eine Zuständigkeit deutscher Gerichte nach dem Weltrechts-prinzip ausschließen könne, aber nur wenn und soweit gesichert ist, daß ein anderer Staat die fraglichen Täter wirklich verfolge. Davon kann bei Rumsfeld und Co. nicht ausgegangen werden – jedenfalls nicht in den USA. Genau das aber behauptete Kay Nehm und zog sich so aus der Verantwortung. Mit der Verneinung seiner Zuständigkeit stützt das Oberlandesgericht Karlsruhe diese Argumentation. (Aktenzeichen: Oberlandesgericht Karlsruhe 1 Ws 41/05)

Dietmar Jochum

junge Welt vom 4.7.2005

Women for peace

Das Projekt »1000 Frauen für den Friedensnobelpreis 2005« steht unter dem Patronat der Schweizer UNESCO-Kommission

Eintausend Frauen sollen in diesem Jahr mit dem Friedensnobelpreis ausge-zeichnet werden. Sie stehen stellvertretend für alle Frauen, die gegen Krieg und Ausbeutung kämpfen. Die Namen der Frauen wurden am Mittwoch an 40 Orten weltweit öffentlich gemacht. Das Projekt »1000 Frauen für den Friedens-nobelpreis 2005« steht unter dem Patronat der Schweizer UNESCO-Kommission. Ziel ist es, weltweit auf Friedensarbeit von Frauen aufmerksam zu machen. Ende Januar 2005 hat die Initiative beim Nobelpreiskomitee in Oslo eine Kandida-tinnenliste eingereicht. Das Komitee nahm die Nominierung an. Entschieden wird über die Preisträger aber erst im Herbst.

»Heute wird die Arbeit der 1000 Frauen sichtbar«, erklärte Nationalrätin Ruth-Gaby Vermot-Mangold, Präsidentin der Initiative, am Mittwoch in Bern. Es sei ein Tag der Hoffnung und gleichzeitig ein Meilenstein eines Schweizer Projekts mit weltweiter Ausstrahlung. Die Zahl 1000 sei symbolisch, sagte Ruth-Gaby Vermot-Mangold. Die ausgewählten Frauen solle man stellvertretend sehen. »Alle Nomi-nierten setzen sich täglich und oft unter schwierigsten Bedingungen für Frieden und Gerechtigkeit ein.«

Die meisten der Frauen würden im Kleinen und Versteckten arbeiten, erläuterte die Präsidentin. Einige seien auch Mitglieder von Regierungen oder internatio-nalen Organisationen. »Bedingung für eine Nomination war lediglich, daß ihre Arbeit gewaltlos, nachhaltig und uneigennützig ist und mit legalen Geldern finanziert wird.«

Die Argentinierin Irene Rodriguez zum Beispiel setze sich für Menschenrechte von illegalen Migrantinnen ein. Sie sei selber ein Opfer von Prostitution und Menschenhandel gewesen, bevor sie ohne gültige Papiere in die Schweiz gekommen sei. »Heute ist Irene Rodriguez eine Stimme für diejenigen, die sonst keine haben«, sagte die Zürcher Stadträtin und Vizepräsidentin des Vereins, Monika Stocker.

Der Friedensnobelpreis wird jedes Jahr am 10. Dezember, dem Todestag des Stifters Alfred Nobel, in Oslo verliehen. Die von dem schwedischen Industriellen und Erfinder Nobel (1833-1896) gestiftete Auszeichnung ist derzeit mit umgerechnet 1,1 Millionen Euro dotiert. Ein aus fünf Mitgliedern bestehender Ausschuß des norwegischen Parlaments wählt den bzw. die Preisträger aus. Neben Einzelpersonen können auch Organisationen, die sich um den Frieden oder die Menschenrechte verdient gemacht haben, den Preis erhalten.

Als erste Frau erhielt die Schriftstellerin und Pazifistin Bertha von Suttner 1905 den Friedensnobelpreis. 1991 wurde die birmanische Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi ausgezeichnet, 2003 die iranische Menschenrechtlerin Shirin Ebadi, im vergangenen Jahr die kenianische Umweltaktivistin und stellvertretende Umweltministerin Wangari Maathai.

Zu den Organisationen, die den Friedensnobelpreis erhielten, zählen das Internationale Rote Kreuz (1917 und 1963), das Kinderhilfswerk UNICEF (1965), amnesty international (1977), Ärzte ohne Grenzen (1999) und die Vereinten Nationen (2001, zusammen mit UN-Generalsekretär Kofi Annan).

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Nominiert: 15 Frauen aus Deutschland

Von der Initiative sind auch 15 Frauen aus Deutschland nominiert worden. Die Geschäftsführerin von »filia.die frauenstiftung«, Christiane Grupe, teilte am Mittwoch in Hamburg mit, daß sich die vorgeschlagenen Frauen vor allem für Behinderte, Kinder Arme, Prostituierte und Opfer von Menschenhandel einsetzen.
  • Schwester Lea Ackermann, Schwester des Ordens von Afrika, Gründerin des Vereins Solwodi (Solidarity with Women in Distress) in Kenia zur Hilfe für Opfer von Menschenhandel und Prostitution;
  • Seyran Ates, türkische Rechtsanwältin in Berlin, die gegen Zwangsehen und »Ehrenmorde« vorgeht;
  • Judith Theresia Brand, Sozialarbeiterin in Freiburg, gründete 1999 die interethnische Begegnungsstätte Hareja für in Not geratene Frauen und Kinder aus Serbien und dem Kosovo;
  • Maria Christine Färber, leitet für Caritas International in Nordalbanien ein Projekt für Frauen und Kinder aus Familien, die in Blutrachefehden verstrickt sind;
  • Monika Gerstendörfer, Mitbegründerin und Geschäftsführerin der Lobby für Menschenrechte e.V. und Expertin für Netzwerke gegen sexualisierte Gewalt in Deutschland;
  • Barbara Gladysch, gründete 1981 die Initiative »Mütter für den Frieden« und 1997 mehrere Therapiezentren »Little Star Points« für kriegstrauma-tisierte tschetschenische Kinder in Grosny;
  • Heide Göttner-Abendroth, Philosophin und Matriarchatsforscherin, grün-dete 1986 die freie »Internationale Akademie Hagia« zur Unterstützung von Frauen, leitete 2003 in Luxemburg und 2005 in den USA die ersten beiden Weltkongresse für Matriarchatsforschung;
  • Marianne Grosspietsch, Gründerin der Station »Shanti Sewa Griha« für Leprakranke in Katmandu, die derzeit mehr als 1200 Nepalesen betreut;
  • Monika Hauser, Frauenärztin und Geschäftsführerin der Frauenhilfsorga-nisation »medica mondiale«, gründete 1992 in der bosnischen Stadt Zeni-ca ein Therapiezentrum für vergewaltigte und kriegstraumatisierte Frauen;
  • Karla-Maria Schälike, Heilpädagogin, gründete 1989 das Kinderzentrum »Nadjeschda« für behinderte Kinder in Kirgisien und 1992 einen Förder-verein für das Betreuungsprojekt »Ümüt-Nadjeschda«;
  • Cathrin Schauer, seit zehn Jahren Streetworkerin und Sozialarbeiterin im Rotlichtmilieu an der deutsch-tschechischen Grenze und Gründerin der Organisation Karo e.V.;
  • Bosiljka Schedlich, gründete 1991 in Berlin das »Südost Europa Kulturzen-trum«, das seither 30000 Kriegsflüchtlinge aus Jugoslawien betreute;
  • Karla Schefter, ehemalige OP-Schwester bei »Ärzte ohne Grenzen«, leitet seit 15 Jahren das von ihr gegründete Chak-e-Wardak-Hospital in Afgha-nistan;
  • Sabriye Tenberken, blinde Pädagogin, gründete 1998 die erste Schule für blinde Kinder in Tibet, die heute ein Rehabilitations- und Ausbildungs-zentrum ist;
  • Ruth Weiss, jüdische Journalistin und Buchautorin, die sich aktiv an Pro-jekten zur Überwindung des Rassismus engagiert, darunter besonders im südlichen Afrika.
Ulla Jelpke

junge Welt vom 1.7.2005

Alle Hemmungen beim Waffenexport abgelegt

Öffentliches Hearing linker EU-Parlamentarier in Strasbourg. Alterna-tives Sicherheitssystem gefordert

Mit »Waffenexporten in der Europäischen Union« beschäftigten sich europäische Linke am Mittwoch in Strasbourg. Die Fakten stellte EU-Abgeordneter Tobias Pflüger vor. Demnach tätigten Frankreich, Deutschland, Großbritannien, Italien und Schweden als die wichtigsten Waffenexporteure in der EU in den Jahren 1994–2001 ein Drittel aller weltweit abgeschlossenen Rüstungsgeschäfte. Mit der EU-Erweiterung sei inzwischen auch der Anteil am globalen Rüstungsexport-markt gestiegen. Mittlerweile exportiere die EU mehr Waffen als die USA.

Während des öffentlichen Hearings, zu dem die Linksfraktion (GUE/NGL) im Europäischen Parlament eingeladen hatte, verwies Lühr Henken vom Kasseler Friedensratschlag auf die besondere deutsche Rolle beim Rüstungsexport. Zwar hätte dieser schon unter der Kohl-Regierung einen kräftigen Anschub bekommen, aber erst mit SPD und Grünen seien »alle Hemmungen« gefallen, besonders beim Export von Kleinwaffen, der sich seither fast verdoppelt habe. Einen Beitrag dazu leistet das deutsche Haushaltsgesetz. Demnach ist dem Staat »die Verschrottung von ausgemusterten Waffen« verboten. Zugleich sei vorgeschrieben, daß Waffen ebenso wie zivile Güter bei Ausmusterung vom Bund zum Verkauf angeboten werden müssen. Darauf wies Otfried Nassauer vom Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit (BITS) hin. Eine Revision des Haushaltsgesetzes wegen der »tödlichen Langzeitwirkung« von Waffenexporten sei also dringend geboten, schlußfolgerte Nassauer.

Nach Einschätzung des ehemaligen schwedischen EP-Abgeordneten Prof. Herman Schmid sind Waffenexporte in der EU heute weitgehend kommerzialisiert und kein Bestandteil der »traditionellen Sicherheitspolitik« mehr. Ausnahme sei Frankreich, weil dort die Rüstungsindustrie noch weitgehend unter Kontrolle des Staates steht. In allen übrigen Ländern würde die Förderung von Waffenexporten als ganz normale Industrieförderung gesehen. Der spanische Abgeordnete Willy Meyer fand, daß die Europäer mit den USA kaum noch durch »gemeinsame Werte« verbunden seien. Deswegen müßten die Europäer schleunigst ein »alternatives, entmilitarisiertes Sicherheitssystem« entwickeln und Schluß machen mit der »grenzenlose Aufrüstung«.

Das Hearing beschäftigte sich zudem insbesondere mit der Rolle der neuen europäischen Rüstungsagentur und der Formulierung eines gemeinsamen EU-Verhaltenskodexes für die Zukunft der EU-Waffenexporte. Christopher Steinmetz (BITS) ging dabei davon aus, daß der strukturelle Einfluß der Agentur auf die EU-Rüstungsindustrie »stark und nachhaltig« sein wird. Derweil verwies Pflüger darauf, daß die EU-Rüstungsagentur derzeit in einem »halb-rechtsfreien Raum« operiert. Der Chef der Agentur, Nick Witney, sei bisher allen Fragen nach der Rechtsgrundlage der Agentur ausgewichen.

Rainer Rupp

junge Welt vom 1.7.2005

Der Kriegseintritt

Heute vor zehn Jahren gab Bundestag erstmals grünes Licht für einen Kampfeinsatz der Bundeswehr – die Beteiligung am NATO-Bombarde-ment gegen die bosnischen Serben

Die Archäologen einer künftigen Zivilisation werden einmal im Schutt unserer Städte wühlen, in den Katakomben unter der Reichshauptstadt, im Kanzler-bunker, und sie werden über den Fragen brüten, die sich unsere Historiker zu Karthago stellten: Warum ist dieses Reich verschwunden? Warum sind seine Bürger, als ihr Land noch bewohnbar nach dem zweiten war, in den dritten Krieg marschiert?

Die eine Denkschule des postkarthagischen Zeitalters wird auf den Untergang der Bonner Republik im Zuge der Wiedervereinigung verweisen. Ab diesem Zeitpunkt sei die genügsame Außenpolitik einem neuen imperialen Machtanspruch gewichen, wie sich etwa an den »Verteidigungspolitischen Richtlinien« aus dem Jahre 38 v. n. W. (vor dem nuklearen Winter – in der damaligen Zeitrechnung 1992 n. Chr.) ablesen lasse. Andere werden dagegenhalten, daß doch zu diesem Zeitpunkt die republikanische Machtbalance noch intakt gewesen sei – den Legionären auf der Hardthöhe habe immer noch ein kräftiger sozial-ökologischer Widerpart Paroli geboten. Einer von dessen Sprechern, ein gewisser Joseph (oder Joschka – die Quellen differieren) Fischer sei sogar 32 v. n.W. deutscher Außen-minister und Vizekanzler geworden.

Ein sensationeller Fund halbgeschmolzener Computerfestplatten in der atomar verseuchten Sperrzone rund um den Bendlerblock barg des Rätsels Lösung: Parlamentsprotokolle, Zeitungsausschnitte, Fernsehmitschnitte aus dem Jahr 35 v.n.W. – in der damaligen Zeitrechnung 1995 n. Chr. In diesem Jahr brach der Widerstand der moderaten Kräfte gegen den Bellizismus zusammen, oder genauer gesagt: Die vormaligen Opponenten wechselten die Seite. Es war der letzte Sommer der alten Republik.

Tag X: 30. Juni 1995

Bis zum Juni 1995 galt in der deutschen Politik das vom damaligen Bundes-kanzler Helmut Kohl verkündete Axiom: Niemals Bundeswehrsoldaten in Gebie-ten einsetzen, die einst die Wehrmacht okkupiert hatte. Vorstößen aus der Union und aus dem konservativen Medienkartell, diesen Grundsatz aufzugeben und deutsche Soldaten zum dritten Mal in jenem Jahrhundert gegen Serbien in Marsch zu setzen, standen ebenso starke Widerstände der Opposition von SPD und Grünen entgegen. So versuchte etwa die SPD, der Beteiligung der Luftwaffe an den NATO-Überwachungsflügen in Bosnien durch Klagen vor dem Bundesver-fassungsgericht einen Riegel vorzuschieben, und die Bündnisgrünen unterstri-chen ihr kategorisches Nein zu allen Out-of-area-Einsätzen – auch Blauhelmmis-sionen! – bisweilen sogar durch außerparlamentarischen Protest.

Der 30. Juni 1995 markiert das Ende der Kohl-Maxime, der Bundestag gab grünes Licht für den ersten Kriegseinsatz der Bundeswehr. Zur Unterstützung einer britisch-französischen Bosnien-Eingreiftruppe wurden die Luftwaffe und Sanitäts-züge bereitgestellt. Jörg Schönbohm, Staatssekretär im Bundesverteidigungs-ministerium, betonte, »daß es diesmal nicht um eine humanitäre Operation wie in Somalia oder Kambodscha« gehe. »Sondern jetzt werden deutsche Soldaten außerhalb des NATO-Verteidigungsgebietes eingesetzt, mit der Möglichkeit, kämpfen zu müssen.«

Vier grüne Abgeordnete und 45 Sozialdemokraten stimmten am 30. Juni mit der Regierung. Oskar Lafontaine kritisierte die Abweichler: »Einige Helden in der SPD ... plapperten ... mit dem Champagnerglas in der Hand« Positionen der Union nach. Man dürfe die Umdefinierung der NATO von einem Verteidigungsbündnis zu einer Interventionsallianz nicht zulassen. Joseph Fischer bezeichnete den Entscheid als »historische Zäsur« und als »Debakel, für das noch viele politisch und manche vielleicht auch mit ihrem Leben bezahlen müssen«. SPD-Bundesgeschäftsführer Günter Verheugen wies in der Debatte auf den Umstand hin, daß die Bundesregierung keineswegs von ihren Bündnispartnern zur Bereitstellung von Truppen oder Flugzeugen aufgefordert werden sei, was ihm von Wolfgang Schäuble den Zwischenruf »geborener Verräter« einbrachte. Verheugen kritisierte, daß »die Koalition uns in eine Prä-Vietnam-Situation gebracht [hat], und wir rutschen immer tiefer in die Grauzone ... und befinden uns irgendwann, ohne es recht bemerkt zu haben, im Krieg«.

Aber als zwei Monate später die Kohl-Regierung unter Berufung auf den Bundes-tagsbeschluß vom 30. Juni grünes Licht zum Angriff gab, war von der Opposition nichts mehr zu hören. Am 30. August 1995 begannen NATO-Kampfflugzeuge einen vierzehntägigen Bombenkrieg gegen serbische Stellungen in Bosnien. Tornados der Bundesluftwaffe flogen fleißig mit. Dies, und nicht der Angriff auf Jugoslawien 1999, war der erste Kriegseinsatz des westlichen Bündnisses und der Bundeswehr – aber kaum jemand hat es gemerkt, denn die Öffentlichkeit war durch die Zustimmung von SPD und Grünen eingelullt. Den Angriffen, bei denen auch Munition aus abgereichertem Uran eingesetzt wurde, fielen mehrere hundert Menschen zum Opfer.

Rummel um Srebrenica

Das Einknicken der parlamentarischen Kriegsgegner zwischen 30. Juni und 30. August wurde durch ein einziges Ereignis ausgelöst: die Eroberung der ostbosnischen UN-Schutzzone Srebrenica durch die Serben am 11. Juli. »Seit Srebrenica habe ich meine Position verändert«, sagte Fischer im Rückblick. Deswegen wird der Medienrummel rund um den 11. Juli gerade an diesem zehnten Jahrestag ebenso groß sein wie das Schweigen am heutigen 30. Juni. Sonst könnte nämlich noch einer drauf kommen, daß der deutsche Beschluß zum Kriegseintritt vor der Tragödie von Srebrenica gefaßt wurde ...

Jürgen Elsässer

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Chronologie: Bundeswehr auf dem Balkan

Juni 1995: Die Bundeswehr unterstützt mit Transport- und Aufklärungsflug-zeugen die UN-Truppen im Bosnien-Herzegowina. Deutsche Soldaten sind unter anderem an der vierzehntägigen Bombardierung serbischer Stellungen beteiligt.

Ab 1996: Nach dem Abkommen von Dayton im November 1995 werden bewaff-nete Bundeswehreinheiten in Bosnien-Herzegowina stationiert.

März 1997: Im Rahmen der Operation Libelle dringen Hubschrauber der Bundes-wehr in Albanien ein, wo gerade bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen stattfinden.

März bis Juni 1999: Die Bundeswehr beteiligt sich am NATO-Krieg gegen Jugoslawien. Tornado-Kampfflugzeuge bereiten mit ihren Aufklärungsflügen Bombardements vor.

Seit Juni 1999: Bundeswehreinheiten gehören zur Besatzung der serbischen Provinz Kosovo und kontrollieren um Prizren einen eigenen Sektor.

August 2001: Deutsche Soldaten beteiligen sich an einem NATO-Einsatz in Maze-donien zur Entwaffnung von Bürgerkriegsbanden, nachdem die mazedonische Regierung durch starken Druck ihre »Einwilligung« dazu erklärt hat.

17. November 2004: Der Bundestag macht den Weg frei für eine Beteiligung der Bundeswehr an der EU-Operation »Althea«. Sie löst die NATO in Bosnien-Herzego-wina ab.

(jW)

junge Welt vom 30.6.2005

Bush auf der Anklagebank

Istanbul: Internationales Irak-Tribunal hielt über Washingtons Füh-rung symbolisch Gericht

Während US-Präsident George W. Bush am Wochenende seine Landsleute auf weitere »harte Kämpfe« im Irak einschwor, saß in der Türkei ein internationales Tribunal über Washingtons mächtigen Feldherrn zu Gericht. Bekannte Schrift-steller, ehemalige UN-Diplomaten sowie Menschenrechts- und Friedensaktivisten aus aller Welt berieten in Istanbul von Freitag bis Sonntag abend über den Irak-Krieg und klagten die USA dabei wegen Kriegsverbrechen und Verstößen gegen das Völkerrecht symbolisch an. »Der Krieg im Irak ist einer der feigsten der Geschichte«, sagte die indische Schriftstellerin Arundhati Roy in ihrer Rede in Istanbul. »Internationale Institutionen wurden benutzt, um ein Land zur Abrüstung zu zwingen. Und dann standen sie dabei, als das Land mit einer nie dagewesenen Waffengewalt angegriffen wurde.«

Kriegsopfer aus dem Irak schilderten der Jury die Situation in ihrem Land unter der Besatzung. Dort sei es mittlerweile »schlimmer als unter Saddam«, so eine Irakerin. Emma Kammas vom unabhängigen Zentrum »Occupation Watch« in Bagdad warf den US-Truppen vor, selbst vor der Zerstörung von Krankenhäusern, etwa in Falludscha, nicht haltzumachen. »Scharfschützen jagten die Menschen auf den Straßen«, so Kammas weiter. Am heutigen Montag will die international besetzte Jury der Öffentlichkeit ihr Urteil über Bushs Feldzug präsentieren und begründen.

Der in Istanbul angeklagte US-Präsident Bush warb unterdessen mit einer landes-weit ausgestrahlten Radioansprache am Samstag bei seinen Landsleuten um Rückhalt für die Irak-Besetzung. Die »Mission« im Irak »sei schwierig«, räumte er ein. In den kommenden Wochen werde es weitere »harte Kämpfe« geben.

Bei verschiedenen Angriffen auf die Besatzungstruppen und einheimische Kollabo-rateure wurden am Wochenende fast 70 Menschen getötet. Die folgenschwersten Anschläge gab es auf Stützpunkte bei Mosul und in Samarra.

* Weitere Informationen zum Irak-Tribunal: www.worldtribunal.org

Rüdiger Göbel

junge Welt vom 27.6.2005

Unbegrenzte Rüstung

EU-Parlamentarier sprachen sich für einheitlichen Markt für militäri-sche Güter aus. Selbst Vertretern der Waffenschmieden ging das zu weit

Die Beschaffung von Verteidigungsgütern auf dem Binnenmarkt« lautete – poli-tisch korrekt – der Titel der öffentliche Anhörung am Donnerstag im Europäi-schen Parlament (EP) in Brüssel. Teilgenommen hatte eine Reihe hochkarätiger Persönlichkeiten aus der europäischen Rüstungsindustrie. Mit etwas Mühe waren im Bildhintergrund des Posters, das die Anhörung ankündigte, Schnürstiefel zu erkennen. Diese sollten wohl die Harmlosigkeit der »Verteidigungsgüter« demonstrieren, über die der Ausschuß für Binnenmarkt und Verbraucherschutz und der Unterausschuß für Sicherheit und Verteidigung diskutieren wollten. Nur die im Saal ausgelegten Hochglanzbroschüren ließen erahnen, worum es tatsäch-lich ging. Sie enthielten Fotos neuester Panzer, Kampfhubschrauber und Raketen. Mit diesen, so der Begleittext der Rüstungsabteilung (DGA) des französischen Ver-teidigungsministeriums, solle »die zukünftige europäische strategische Autono-mie« geschaffen werden.

Lukrative Geschäfte

Begeistert sprach Arturo Morino, Vertreter der neuen EU-Rüstungsagentur (EDA), denn auch davon, daß es darum gehe, »militärische Kapazitäten zu schaffen«, um weiter »festzustellen, wo die Lücken sind«. Diese sollten dann »mit neuen Aufträgen« gefüllt werden. Auf die Frage des einzigen Vertreters der europäi-schen Linksfraktion im Unterausschuß für Sicherheit und Verteidigung, Tobias Pflüger, warum das Budget der EDA außerhalb jeglicher parlamentarischer Kontrolle steht, gab es nur eine ausweichende Antwort.

Die Vertreterin der Grünen-Fraktion im Sicherheitsausschuß, Angelika Beer, forciert die EP-Initiative. Als eine von zwei Berichterstattern forderte sie den einheitlichen Markt für die »Beschaffung von Waffen, Munition und Kriegs-material« und deshalb die »Abschaffung der rüstungspolitischen Besonderheiten« von Artikel 296 des EG-Vertrags. Dieser Artikel gewährt den 25 EU-Mitglieds-ländern im Fall des Vorliegens von nationalen »essentiellen Sicherheits-interessen« bei der Beschaffung von Rüstungsmaterial ein Schlupfloch. Anders als bei zivilen Gütern, bei denen eine EU-weite Ausschreibung vorgeschrieben ist, kann jede Regierung bei Rüstungsgütern dort kaufen, wo sie will. Daher wurde Artikel 296 für die mangelnde Transparenz und den ausbleibenden Wettbewerb auf dem europäischen Rüstungsmarkt ebenso verantwortlich gemacht wie für doppelte industrielle Rüstungskapazitäten und die daraus resultierenden erhöhten Preisen für Waffensysteme.

Durch die vielfache Zerstückelung des europäischen Rüstungsmarktes, der vom französischen Rüstungsdirektor Francois Lureau auf 44 Milliarden Euro plus zwölf Milliarden Euro für militärische Forschung geschätzt wird, habe die europäische Rüstungsindustrie weder die »Vorteile von Großserien« noch den Hauch einer Chance, mit den USA auf diesem Gebiet zu konkurrieren. »Wir (Europäer) müssen unser Territorium auf dem Weltrüstungsmarkt abstecken« forderte denn auch der Vertreter der britischen Rüstungsindustrie, Jeremy Miles.

Gewerkschafter im Boot

Deshalb rief Burghard Schmidt vom EU-finanzierten »Institut für Sicherheits-studien« in Paris ganz militärisch die Parlamentarier »zum Sturmangriff« auf Artikel 296 auf. Dabei wurde er von gewerkschaftlicher Seite unterstützt. Ohne Sinn und Zweck der massiven EU-Aufrüstung zu hinterfragen, forderte Hardy Koch vom Europäischen Metallgewerkschaftsbund in dem zu erwartenden Umstrukturierungsprozeß der Rüstungsindustrie lediglich die soziale Absicherung für die dort Beschäftigten.

Die allseits geforderte Abschaffung von Artikel 296 ging den anwesenden Vertretern der Rüstungsindustrie letztlich aber doch zu weit. Denn dies würde den europäischen Rüstungsmarkt, auch für sogenannte sensible Waffensysteme, notgedrungen US-amerikanischen Produkten öffnen, warnte z. B. Timm Meyer von der Industrievereinigung UNICE. Ohnehin zeigte er sich bezüglich der EP-Initiative reichlich skeptisch. Seit 35 Jahren sei er nun bereits in dem Geschäft und habe schon viele derartige Initiativen verfolgt. Sie seien alle gescheitert. Auf diesem Gebiet werde »zwar gern und oft europäisch geredet, aber national gehandelt«, so der Rüstungslobbyist.

Rainer Rupp

junge Welt vom 25.6.2005

Freitag, 24. Juni 2005

»Das ist ein Tritt vor Schröders Schienbein«

Freispruch für Florian Pfaff könnte Signal für andere Militärs sein. Soldaten werden mit viel Geld zu Auslandseinsätzen gelockt. Ein Gespräch mit Helmuth Prieß*

F: Der 2. Wehrdienstsenat in Leipzig hat am Mittwoch die Bestrafung des Majors Florian Pfaff aufgehoben, der im Zusammenhang mit dem Irak-Krieg den Gehorsam verweigert hatte. Seine Degradierung zum Hauptmann ist damit aufgehoben. Ist das eine kleine Sensation?

Zumindest ist es sehr erfreulich. Es zeigt nicht zuletzt, daß die Wehrdienstsenate nachdenklicher geworden sind.

F: Hat eine solche Entscheidung nicht enorme Konsequenzen für künftige Militäreinsätze?

In der Tat. Schon 1999 hätten sich deutsche Soldaten nicht an dem völkerrechtswidrigen Luftangriff der NATO auf Jugoslawien beteiligen dürfen. Wir hoffen sehr, daß das Urteil im Falle Pfaff dazu beiträgt, unsere Kameraden in der Bundeswehr nachdenklich zu stimmen. Vielleicht gibt es auch dem einen oder anderen in der Bundesregierung zu denken und trägt dazu bei, daß deutsche Soldaten künftig nur nach nationalem und internationalem Recht eingesetzt werden.

F: Auf dieses Urteil könnten sich ja Wehrpflichtige berufen, die zum Beispiel im Kriegsfall US-Stützpunkte in der BRD bewachen müssen.

Ich möchte alle Wehrpflichtigen und alle Zeitsoldaten dazu aufrufen, genau das zu tun.

F: Aber auch andere Bundeswehrsoldaten könnten sich darauf beziehen, z.B. jene, die die KSK-Kräfte in Afghanistan versorgen.

Dieser Afghanistan-Einsatz ist zumindest rechtlich fragwürdig. Unabhängig davon wird das Urteil aber Signalwirkung haben. Soldaten sollten sich in rechtlich zweifelhaften Fällen von ihren Vorgesetzten erst die Rechtmäßigkeit des Befehls erläutern lassen. Geschieht das nicht, müssen sie laut Soldatengesetz den Befehl verweigern.

F: Das Leipziger Urteil dürfte für Militärpolitiker wie Peter Struck (SPD) und andere, die Deutschland plötzlich am Hindukusch verteidigen wollen, höchst blamabel sein. Wird damit nicht die gegenwärtige »Sicherheitspolitik« der Regierung torpediert?

Nach meiner Meinung müssen deutsche Soldaten friedenserhaltende Einsätze im Rahmen der UNO mittragen. Bei Kampfeinsätzen allerdings muß die Politik überdacht werden. Dieses Urteil ist daher mit Sicherheit auch ein kräftiger Tritt gegen das Schienbein des Kanzlers. Deutschland sollte Zurückhaltung bei Auslandseinsätzen praktizieren und statt dessen auf vorbeugende, nichtmilitärische Konfliktlösungen setzen.

F: Major Pfaff ist Mitglied des Darmstädter Signals. Ihre Gruppe wurde des öfteren von konservativen Politikern, aber auch vom Verteidigungsministerium attackiert. Gegen Sie persönlich hatte es Verfahren gegeben ...

Das ist richtig. Ich wurde noch stärker gemaßregelt als Pfaff. Er wurde um eine Stufe degradiert, ich gleich um zwei. Später wurde ich wieder zu meinem ursprünglichen Dienstgrad Major und dann zum Oberstleutnant befördert.

F: Welche Relevanz hat das Darmstädter Signal heute? In den Medien ist es darum still geworden.

Die Leitung des Verteidigungsministeriums schneidet uns nach wie vor. Kritische Medien, auch Rundfunk- und Fernsehanstalten, nehmen uns aber durchaus wahr. Wir nutzen die Chance, über die Öffentlichkeit auf unsere Kameraden in der Bundeswehr Einfluß zunehmen.

F: Wie sieht es mit dem Zuspruch aus?

Wir sind nach wie vor 100 Soldaten – aktive und ehemalige, wobei die letzteren in der Mehrheit sind.

Viele junge Offiziere gehen heute zur Bundeswehr, nicht um etwas für den Frieden zu tun, sondern weil sie bei Auslandseinsätzen viel Geld verdienen. Ein Leutnant im Afghanistan-Einsatz bekommt das doppelte Geld. Etwa 3000 Euro pro Monat Normalgehalt und für jeden Tag noch einmal 100 Euro. Nach einem halben Jahr hat dieser Mann mehr als 30000 Euro in der Tasche, weil es in Afghanistan kaum Gelegenheit gibt, Geld auszugeben. Ich kenne Soldaten, die sich vor ihrer Versetzung ins Ausland erst einmal einen nagelneuen BMW 316 i bestellt haben.

* Oberstleutnant a. D. Helmuth Prieß ist Sprecher des »Darmstädter Signals«, eines Arbeitskreises kritischer Soldaten (www.darmstaedter-signal.de)

Interview: Peter Wolter

junge Welt vom 23.6.2005

»Party und Kriegsgerät vertragen sich nicht«

Kieler Woche wird intensiv für Marinepropaganda genutzt. Protestaktion gegen die Zurschaustellung des Militarismus. Ein Gespräch mit Claas Kunze*

F: Die zur Zeit (18. bis 26. Juni) stattfindende »Kieler Woche« in Schleswig-Holsteins Landeshauptstadt ist nicht nur wie üblich ein Highlight des internationalen Segelsports, sondern auch – wie ebenfalls üblich – eine große Flottenparade. Die SDAJ hat mit einer Aktion dagegen protestiert.

Ja, wir haben an der Tirpitz-Mole, das heißt, vor Kiels Marinehafen, Transparente hochgehalten und Flugblätter verteilt. Dort liegt zur Zeit unter anderem die Fregatte »Hamburg«, das neueste und modernste Kriegsschiff der Bundesmarine. Es hat 800 Millionen Euro gekostet und wurde letztes Jahr in Dienst gestellt. Während die »Hamburg« für Besucher zur Besichtigung freigegeben ist, will die US-Navy, die ebenfalls zur Kieler Woche gekommen ist, lieber keine Zivilisten an Bord lassen. 100 Soldaten sind mit Schnellfeuerwaffen zur Bewachung aufgestellt, während einige Dutzend Meter entfernt Tausende Menschen, die üblicherweise zur Kieler Woche kommen, am Ufer entlang flanieren.

F: Ist die US-Navy stark vertreten?

Drei Schiffe haben die USA geschickt: den Zerstörer »Cole«, den Kreuzer »Anzio« und das Docklandungsschiff »Tortuga« mit »kampferprobter Marineinfanterie« an Bord, wie es zynisch heißt. Insgesamt sind 1100 Soldaten gekommen, womit die USA das größte ausländische Kontingent stellen. Auch viele andere Staaten haben Kriegsschiffe geschickt, zum Beispiel Kanada, Frankreich, Dänemark, Estland, Litauen und Spanien. Ein Teil davon hatte letzte Woche bei einem NATO-Manöver in der Ostsee den »Kampf gegen Terroristen« geprobt.

F: Was wollten Sie mit Ihrer Aktion erreichen?

Wir wollten gegen diese Zurschaustellung des Militarismus protestieren. Alle Jahre wieder wird beim sogenannten Open Ship der letzte Schrei an mörderischen Waffen stolz dem Publikum präsentiert. Wir finden, daß sich Party und Kriegsgerät nicht miteinander vertragen. Außerdem wollten wir darauf hinweisen, daß das für Rüstung ausgegebene Geld viel nötiger für Bildung gebraucht wird.

F: Wie haben die Besucher auf die Aktion reagiert?

Die meisten mit Desinteresse. Die wollten nur die Technik sehen. Einige haben uns angepöbelt, andere haben Diskussionen angefangen. Von einigen wenigen Passanten gab es auch Zustimmung, aber die wollten die Schiffe sowieso nicht besichtigen.

F: Neben den vielen Marinefahrzeugen gibt es auch eine neue Ausstellung der Bundeswehr zu ihrem 50jährigen Bestehen zu sehen.

Ja. Es sind unter anderem ein Raketenwerfer und Panzer aufgebaut, in denen kleine Kinder herumturnten. Dazu eine Reihe von Schautafeln, auf denen für die Bundeswehr geworben wird. Das Ganze ist eine Art Wanderausstellung, die zur Zeit durch die Bundesrepublik tourt. Die Bundeswehr tritt immer häufiger auf Jugendmessen, Festivals und Veranstaltungen wie der Kieler Woche auf. Man will sich den Jugendlichen, die keinen Ausbildungsplatz haben und damit rechnen müssen, in ihrem Leben nicht mehr aus den unzähligen Praktika und Warteschleifen herauszukommen, als krisensicherer Ausbilder präsentieren. Die Bundeswehr brüstet sich damit, für über 60 Berufe auszubilden. Was sie zumeist verschweigt, ist, daß eine Verpflichtung für mindestens acht Jahre Voraussetzung für eine Ausbildung bei der Bundeswehr ist. Außerdem muß man sich zu Auslandseinsätzen bereit erklären.

F: Plant die Kieler SDAJ weitere antimilitaristische Aktionen in nächster Zeit?

In Schönberg, einem größeren Dorf in der Nähe Kiels, wird es Ende Juli ein Sportfest geben, bei dem die Bundeswehr als Hauptsponsor auftritt. Dagegen werden wir sicherlich etwas machen. Außerdem ist in Lütjenburg, einer Kleinstadt in Ostholstein, demnächst eine öffentliche Rekrutenvereidigung. Auch da wird es wahrscheinlich Proteste geben.

* Claas Kunze ist Mitglied der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ) in Kiel.

Interview: Wolfgang Pomrehn

junge Welt vom 23.6.2005

Anklage gegen Folterer

Kompaniechef und 17 Unteroffiziere der Bundeswehr aus dem westfälischen Coesfeld müssen sich vor dem Landgericht Münster verantworten

Im Skandal um Mißhandlungen von Bundeswehr-Rekruten im westfälischen Coesfeld hat die Staatsanwaltschaft am Montag beim Landgericht Münster Anklage gegen den Kompaniechef und 17 Unteroffiziere erhoben. Sie sollen 163 Rekruten bei vier Marschübungen mit Schwachstrom, Wasser und Schlägen gefoltert haben. Die Vorwürfe gegen die Ausbilder der Coesfelder Freiherr-vom-Stein-Kaserne waren Ende Oktober 2004 bekanntgeworden. Sie sollen ihre Untergebenen bei simulierten Geiselnahmen gequält haben. Laut Aussagen wurden die Rekruten überfallen, gefesselt, und es wurde ihnen Wasser in Mund und Hosen gepumpt. Später seien Schläge, Tritte und Schwachstromstöße hinzugekommen.

Insgesamt wurde gegen 38 Beschuldigte ermittelt. Gegen 20 Personen wurde das Verfahren aber abgetrennt. Es wird angenommen, daß die Staatsanwaltschaft das abgetrennte Verfahren wegen geringer Schuld der Beteiligten einstellen wird. Nach der Vernehmung von 290 Soldaten ergab sich laut einer Mitteilung der Polizei in Münster der Verdacht, daß mit »weitgehender Billigung« des Kompaniechefs im Rahmen der allgemeinen Grundausbildung »Übungsinhalte wie Gefangennahme und Geiselhaftbefragung« mit unzulässigen Methoden durchgeführt wurden. Einige der beteiligten Unteroffiziere hätten schon an Auslandseinsätzen der Bundeswehr teilgenommen oder seien zumindest dafür ausgebildet gewesen.

Die Beschuldigten haben mit Ausnahme des Kompaniechefs im Ermittlungsverfahren die Aussage verweigert. Ihnen droht eine Verurteilung wegen Mißhandlung (Paragraph 30 Wehrstrafgesetz) und entwürdigender Behandlung (Paragraph 31 WStG) sowie wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß Paragraph 224 StGB. Darauf stehen Freiheitsstrafen von drei Monaten bis zu fünf Jahren. Wann die Hauptverhandlung vor der 8. Großen Strafkammer des Landgerichts Münster stattfindet, steht noch nicht fest. Nach Angaben des Heerestruppenkommandos in Koblenz soll nach einem rechtskräftigen Urteil ein Truppendienstgericht über disziplinarische Schritte entscheiden. Das mögliche Strafmaß reiche vom Verweis bis zur Entlassung, sagte der Sprecher des Kommandos, Withold Pieta, am Dienstag.

Der Vertreter der Anklagebehörde, Oberstaatsanwalt Wolfgang Schweer, erklärte am selben Tag, die Übungen seien in Inhalt und Form absolut aus dem Ruder gelaufen. »Ich denke, das Problem liegt in der Führung der Kompanie«, so Schweer. Diese Betrachtungsweise unterstützt die Absicht des Bundesverteidigungsministeriums, den Skandal von Coesfeld als Einzelfall hinzustellen. Dabei wird ausgeblendet, daß das Verhalten der jetzt angeklagten Ausbilder auf eine allgemeine Tendenz zur Verrohung aufgrund der Militarisierung der deutschen Politik zurückgeht. Ganz offenkundig haben sich die Ausbilder bei ihrem entwürdigenden Verhalten an US-amerikanischen Vorbildern orientiert. Guantanamo und Abu Ghraib entfalten eine verheerende Fernwirkung. In den Köpfen junger Soldaten scheint sich festzusetzen, daß ein Verhalten, dessen sich die befreundete Supermacht USA befleißigt, nicht so schlimm sein kann.

Hinzu kommt die ständige Relativierung der Grundrechte durch die SPD-Grünen-Bundesregierung in den vergangenen Jahren. Meist unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung wurden durch die Gesetzespakete Schily I und II, zu Lauschangriff und DNA-Speicherung die Bürgerrechte systematisch eingeschränkt. Damit geht einher, daß das allgemeine Bewußtsein für diese Grundwerte schwindet. Speziell die Debatte nach der Ermordung des Bankierssohns Jakob von Metzler in Frankfurt am Main hat gezeigt, wie schnell Politiker, Juristen und andere Personen des öffentlichen Lebens zu einer Aufweichung des bisherigen absoluten Folterverbots bereit sind. So auch der Bundeswehr-Hochschulprofessor Michael Wolffssohn. Mittlerweile regt sich fast niemand mehr darüber auf, daß bereits drei (!) juristische Fachbücher zur Auslegung des Grundgesetzes Folter in bestimmten Fällen für zulässig halten. Daher ist Coesfeld kein Einzelfall, sondern Ausdruck einer gesellschaftlichen Entwicklung der Entsolidarisierung und des Verlusts an Humanität.

Ulla Jelpke

junge Welt vom 22.6.2005

Schöne Fassade für Bush

Irak-Konferenz in Brüssel wirbt für Demokratie und Stabilität. Im US-Besatzungsgebiet verbreiten Todesschwadronen derweil Angst und Schrecken

Washington sucht händeringend Unterstützung für das Vorgehen im Irak. Bizarr dabei ist: Während George W. Bush in den USA ob der mittlerweile mehr als 1700 getöteten GIs im eigentlich doch »befreiten« Zweistromland immer mehr an Unterstützung verliert, wird die Besatzungspolitik des US-Präsidenten international zunehmend goutiert. Erklärtes Ziel der internationalen Irak-Konferenz in Brüssel am morgigen Mittwoch etwa ist die »weitere Stabilisierung« des Besatzungsgebietes und die Unterstützung des »Demokratisierungsprozesses«. Vertreter aus mehr als 80 Ländern und unzähliger Nichtregierungsorganisationen wollen an dem von der EU gesponserten Treffen teilnehmen. Die neue Übergangsregierung in Bagdad soll ein Forum erhalten, um internationale Anerkennung und Unterstützung zu erlangen. Mit anderen Worten, in Brüssel soll die Fassade gestärkt werden, die die USA vor ihr Besatzungsregime zu stellen versuchen. Allein die sonst chronisch pleite EU will dazu weitere 200 Millionen Euro beisteuern.


Drei US-Offensiven

Die Iraker selbst sind von Sicherheit und Demokratie entfernter denn je. Mit drei Offensiven versucht die US-Armee dieser Tage, wieder Herr der Dinge im Irak zu werden. Die »Operation Speer« konzentriert sich auf den äußersten Westen der Provinz Anbar, speziell die Grenzregion zu Syrien; mit der »Operation Dolch« gehen US-Truppen nach eigenen Angaben gegen Ausbildungs- und Waffenlager in einem Sumpfgebiet am Tharthar-See nordwestlich von Bagdad vor; »Operation Weißes Schild« schließlich konzentriert sich auf den Zentral- und Südirak.

In diesem Monat erschienen gleich mehrere Berichte von UN- und Menschenrechtsorganisationen, die allesamt ein verheerendes Bild von den Verhältnissen im Irak seit Bushs Machtübernahme in Bagdad zeichnen. Eindringlich warnte das UN-Entwicklungsprogramm (UNDP) in einer Studie, wie dramatisch sich die Lebensbedingungen seit Kriegsbeginn verschlechtert haben (siehe jW vom 18./19. Juni).

Der am 7. Juni präsentierte Quartalsbericht von UN-Generalsekretär Kofi Annan warnte ebenso wie die Analysen von Amnesty International und des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) vor Justizwillkür: Danach sind im Irak mehrere tausend Menschen widerrechtlich eingesperrt, ohne Rechtsbeistand und die Möglichkeit, sich vor Gericht zu rechtfertigen. Die US-Truppen und irakische Einheiten werden für die Anwendung »exzessiver Gewalt« an Checkpoints sowie bei Hausdurchsuchungen scharf kritisiert.


Die gefürchtete Polizei

Neben den regulären Armeen und Polizeikräften im Dienste der US-Besatzer sind unter der Ägide von Expremier Ijad Allawi zudem mehrere paramilitärische Einheiten aufgebaut worden. Die wichtigsten dabei sind die »Special Police Commandos« (SPC), die stark an die rechten kolumbianischen Todesschwadronen erinnern (siehe dazu junge Welt vom 19.5.2005). Pate beim Aufbau standen US-Berater, die in Süd- und Mittelamerika Erfahrungen im »schmutzigen Krieg« gegen Befreiungsbewegungen gesammelt hatten.

Diese Milizen wurden schnell berüchtigt für ihre Brutalität. Und: Seit Aufstellung der Sonderpolizeieinheiten mußten zahlreiche Morde konstatiert werden – und ausgerechnet in den Gebieten, in denen die SPC operativ eingesetzt waren. Am deutlichsten wurde dies in der nordirakischen Stadt Mosul, wo die Todesschwadron seit Ende Oktober aktiv ist. Bei Razzien wurden dort Dutzende Männer im waffenfähigen Alter gefangengenommen. Augenzeugen berichteten, wie diese gefesselt und mit verbundenen Augen abgeführt und nicht wieder gesehen wurden. In den darauffolgenden Wochen wurden in der Region mehr als 150 Leichen von Männern gefunden, die meisten durch Kopfschuß exekutiert. Die US-Truppen behaupteten in ihren Kommuniquees, es würde sich um Angehörige der irakischen Hilfstruppen handeln. Doch trugen alle Opfer zivile Kleidung, und sie waren schwer zu identifizieren.

Ähnliche Vorfälle wurden aus der Gegend um Samarra sowie aus den Orten Suwayra, Mardaen und Al Kaim kurz nach Beginn der »US-Operation Blitz« gemeldet. In Bagdad führte eine Welle von Morden mittlerweile zu konkreten Anklagen gegen die neuen irakischen Sicherheitskräfte, insbesondere die SPC. Anfang Mai war in der irakischen Hauptstadt ein Massengrab mit 14 Toten gefunden worden. In diesem Fall konnten Familien die Opfer identifizieren. Allesamt waren sie Bauern, die bei einer Razzia auf einem Gemüsemarkt gefangengenommen worden waren.

Joachim Guilliard / Rüdiger Göbel

junge Welt vom 21.6.2005

»Stirb an einem anderen Tag«

Die geistige Mobilmachung in den USA gegen Nordkorea hat erst begonnen. Scharfmacher mit liberalen Feigenblättern

Für die aktuelle Zurückhaltung der US-Regierung gegenüber Nordkorea gibt es neben der Weigerung Seouls und Pekings, Druck auf Pjöngjang auszuüben, noch einen weiteren Grund. Für einen Krieg muß auch im eigenen Land zuerst ausreichend Stimmung gemacht werden. Damit haben die rechten Unterstützer von US-Präsident George Bush gerade erst begonnen.

Wie die New York Times unter Berufung auf das Umfeld des US-Präsidenten berichtete, las Bush in diesem Frühjahr auf Empfehlung Henry Kissingers »Die Aquarien von Pjöngjang« von Kang Chol Hwan. Kang berichtet darin von seinen Erfahrungen im Arbeitslager Yodok, in dem er zehn Jahre seiner Kindheit verbrachte. In Nordkorea gilt Sippenhaftung – analog zur Vorstellung von der Familie als Kern der Gesellschaft. Die gegenseitige Unterstützung durch Familienangehörige sorgt dafür, daß viele die Strapazen der Gefangenschaft überleben. Richtig gelesen zeigt Kangs Buch, daß den Gefangenen viel Raum zur Improvisation gelassen wird. So brannte etwa sein Onkel, der lange Jahre in einer Brauerei gearbeitet hatte, nach kurzer Zeit seinen eigenen Schnaps, was ihm große Vorteile verschaffte. Zudem wird deutlich, daß der Aufenthalt in einem Arbeitslager den Gefangenen nach der Freilassung weder den Umzug in die Nähe der Hauptstadt verbaut noch ein Hindernis für den Besuch einer Hochschule darstellt.


Rechte Einpeitscher

Davon wird nicht die Rede sein, wenn Kang im Juli nach Washington kommt, denn seine Gastgeber setzen nicht auf eine differenzierte Darstellung. Danach wollen ihn evangelikale Christen auf US-Tour schicken. Mit im Programm: eine Ansprache beim Musikfestival »Rock the Desert« in Bushs Heimatort Midland, Texas. Für die »Menschenrechte in Nordkorea« engagiert sich nahezu die gesamte erste Liga des christlichen Fundamentalismus in den USA. In der North Korea Freedom Coalition (NKFC) finden sich neben obskuren Exilantengruppen und der Heilsarmee die National Association of Evangelicals, die schwulenfeindliche American Family Association, die vom Fernsehprediger Pat Robertson gegründete Christian Coalition, die rechte Denkfabrik Defense Forum Foundation und Helping Hands Korea, ein Ableger der Sekte Children of God, die heute unter dem Namen The Family firmiert.

Bedauerlicherweise ebenfalls dabei: das Simon Wiesenthal Center. „Wo bleibt der weltweite Aufschrei?«, fragte dessen stellvertretender Direktor, Abraham Cooper, am 6. Juni in der Süddeutschen Zeitung. Staatsfeinde würden in Nordkorea für Experimente mißbraucht, um neue Generationen chemischer und biologischer Waffen zu entwickeln. Einzige Quelle: nordkoreanische Überläufer, die in der Vergangenheit zu jeder Aussage bereit waren, die in Seoul gerade benötigt wurde. Cooper bringt die angebliche »Vergasung politischer Gefangener« in Nordkorea sogleich in Beziehung mit dem Massenmord an den europäischen Juden. Auch dieser sei von den Medien zunächst ignoriert worden. Zugleich liefert er mit »geschätzte 200000« einen neuen Rekordwert für die Zahl der politischen Gefangenen in der Demokratischen Volksrepublik Korea. Wer diese Schätzung abgegeben hat, läßt Cooper offen. Neben dem Wiesenthal- Center dient die Commission on Social Action of Reform Judaism den in der NKFC versammelten Bush-Kriegern als liberales Feigenblatt.


Realitäten ignoriert

Da spielt es keine Rolle, daß Nordkoreas Staatschef Kim Jong Il soeben im Gespräch mit dem südkoreanischen Wiedervereinigungsminister Chung Dong Young die Wiederaufnahme der Sechsergespräche (mit China, Japan, Rußland, Südkorea und den USA) über das Atomprogramm seines Landes bereits für Juli in Aussicht gestellt hat. Chung hatte dies nach seiner Rückkehr von den Feierlichkeiten zum fünften Jahrestag des Gipfeltreffens zwischen Kim Jong Il und Kim Dae Jung am Wochenende mitgeteilt, das die »Sonnenscheinpolitik« des Südens gegenüber dem Norden einläutete. Anders als etwa gegenüber China oder Südafrika zur Zeit der Apartheid ist »Wandel durch Handel« im Fall Nordkorea für die US-Rechte kein Thema. Ihr bisher größter Sieg: der »North Korea Human Rights Act«, den der US-Kongreß im Oktober vergangenen Jahres verabschiedete. Durch das Gesetz wurden weitere Mittel für die psychologische Kriegsführung gegen die Volksrepublik zur Verfügung gestellt.

So ist auch auf der Ebene der Popkultur viel passiert, seit James Bond vor zwei Jahren in »Die Another Day« einem nordkoreanischen Offizier, der sich in den Besitz von Massenvernichtungswaffen bringen wollte, den Garaus machte. Der Atomreaktor von Yongbyon ist zum beliebten Angriffsziel für Computerspiel-Piloten geworden. Kim Jong Il hat sich als Bösewicht in Hollywood etabliert.

Inzwischen sehen die US-Amerikaner Meinungsumfragen zufolge abwechselnd Iran und Nordkorea als größte Bedrohung. Trotzdem sprachen sich in der letzten Gallup-Umfrage aber 62 Prozent der Befragten gegen ein militärisches Vorgehen in Nordkorea aus. Die geistige Mobilmachung hat, wie gesagt, eben erst begonnen.

Josef Oberländer, Seoul

junge Welt vom 20.6.2005

BGS wird Hilfstruppe der Bundeswehr

Schily und Struck planen schon konkret für ständige Auslandseinsätze der Bundespolizei

Die Pläne der Bundesregierung, den Bundesgrenzschutz (BGS) verstärkt als Hilfstruppe bei Militäreinsätzen der Bundeswehr im Ausland einzusetzen, sind bereits weit gediehen. Vor einigen Tagen war bekanntgeworden, daß Bundesverteidigungsminister Peter Struck und Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) der Meinung sind, bei den militärischen Interventionen im Ausland würden immer mehr polizeiliche Aufgaben anfallen. Diese sollte am besten die Bundespolizei (bisher BGS) wahrnehmen. Nunmehr meldete der Spiegel, Schily habe schon den Aufbau einer Hundertschaft im niedersächsischen Gifhorn beschlossen, die ab Januar kommenden Jahres Polizeieinsätze im Ausland übernehmen solle.

Die politische Entwicklung der vergangenen Jahre hätte den BGS beinahe überflüssig gemacht. Im Rahmen des Schengener Abkommens sind 1990 zunächst die Grenzkontrollen zu den westlichen Nachbarstaaten der BRD weggefallen, später zu Österreich und künftig (nach der Volksabstimmung vom 12. Juni zur Schweiz. Die EU-Osterweiterung sah zwar nach dem Beitritt Tschechiens und Polens am 1. Mai 2004 noch die Fortsetzung von Grenzkontrollen vor, aber auch diese werden in zwei bis drei Jahren aufgehoben.

Als Ersatz für seine alte Aufgabe der »Grenzsicherung« bekam der BGS noch unter Innenminister Manfred Kanther (CDU) 1998 die Befugnis, auf Bahnstrecken und Bahnhöfen sowie auf Autobahnen im Inland sogenannte verdachtsunabhängige Kontrollen durchzuführen. Diese Einführung der Schleierfahndung ist ein weiterer Schritt mehr in den Überwachungsstaat gewesen, lastet aber arbeitsmäßig den BGS nicht aus. Schilys alter Traum, eine Art deutsches FBI zu schaffen, blieb ebenfalls unerfüllt, da die Bundesländer auf ihre überkommene Zuständigkeit für das Polizeirecht pochen. Daher sucht man krampfhaft nach neuen Aufgaben. Die Umbenennung in »Bundespolizei« im Mai 2005 war der Auftakt, denn damit wollte Schily klarstellen, daß der BGS nicht mehr auf die ehemaligen Aufgaben an den Außengrenzen der BRD reduziert wird.

Nun wird deutlich, wohin die Reise gehen soll. Das Wort »Germans to the front« bezieht sich künftig nicht mehr allein auf Soldaten, sondern auch auf die Polizisten des Bundes. Hierzu erklärte Monty Schädel, Bundessprecher der (DFG-VK): »Die vermeintlichen ›Polizeieinsätze‹ im Ausland sind ein deutliches Indiz für die rasch zunehmende Militarisierung der Innen- und Außenpolitik dieser Regierung. Aber auch bei einem Regierungswechsel ist keine Änderung in der Militarisierungsfrage zu erwarten. Angestrebt wird eine erhöhte militärische Interventionsfähigkeit.« Wenn dieses Vorhaben umgesetzt werde, müsse den Bundespolizisten grundsätzlich auch ein Recht auf Kriegsdienstverweigerung nach Artikel 4 des Grundgesetzes zustehen. Aber die DFG-VK lehnt Strucks und Schilys Pläne ohnehin ab. »Aus unserer Sicht sind die Einsätze nicht Grundgesetzkonform«, erklärte der politische Geschäftsführer der Vereinigung, Joachim Thommes. Auch die Absicherung von Checkpoints durch bewaffnete Verbände sei in Wahrheit ein Militäreinsatz. Es gebe eine gefährliche Tendenz hin zur Durchführung noch größerer Militäreinsatze. »Hierfür wird momentan der mentale Boden bereitet«, kommentierte die DFG-VK.

Diese Entwicklung läuft bereits einige Jahre. So hat der BGS schon seit 1989 mit insgesamt mehr als 1600 Beamten an internationalen Militäreinsätzen teilgenommen. Derzeit versehen 137 deutsche Polizisten auf dem Balkan, in Afrika und Afghanistan ihren Dienst. Bisher soll sich das Innenministerium aber noch gegen Vorstellungen des Verteidigungsministeriums wehren, die Bundespolizei nach dem Vorbild der italienischen Carabinieri als paramilitärische Truppe aufzubauen. Dazu würde eine Ausrüstung mit Maschinengewehren und Stahlhelmen gehören, die der BGS vor Jahren abgeschafft hat.

Ulla Jelpke

junge Welt vom 20.6.2005

Mumia Abu-Jamal: Vorhersehbare Niederlage

Washington hat aus dem Vietnamkrieg keine Lehren gezogen. Das zeigt sich heute vor allem im Irak

Es ist mehr als 30 Jahre her, daß US-Helikopter, vom Abwehrfeuer getroffen in das Südchinesischen Meer stürzten oder hektisch die Evakuierung der letzten kolonialen Außenposten in Saigon durchführten, während in den Hauptstraßen schon die Panzer der Nationalen Befreiunsgfront rollten und die südvietnamesische Stadt einnahmen. In den Medien sind schon oft die »Lehren, die aus Vietnam gezogen wurden«, thematisiert worden, aber in diesen Tagen drängt sich mehr und mehr die Frage auf: Welche Lehren sollen das sein?

Wurde zum Beispiel gelernt, daß es unmöglich ist, anderen Völkern Marionettenregierungen vor die Nase zu setzen? Der damalige US-Präsident Lyndon B. Johnson gab dem südvietnamesischen Premier Nguyen Cao Ky und General Nguyen Van Thieu höchstpersönlich das Versprechen, die USA würden ihr Militärregime stützen, und inszenierte eine Wahl, um das Regime mit demokratischen Weihen auszustatten. Am 4. September 1967 berichtete die New York Times darüber, wie »überrascht« die USA über den guten Verlauf der Wahlen waren: »Offizielle US-Vertreter zeigten sich heute überrascht und ermutigt über den positiven Ausgang der südvietnamesischen Präsidentschaftswahlen, die trotz der Terrorkampagne des Vietcong stattfand, der die Wahl verhindern wollte. Laut Berichten aus Saigon gaben gestern 83 Prozent der 5, 85 Millionen registrierten Wähler ihre Stimme ab. Viele von ihnen gingen das Risiko ein, Opfer der vom Vietcong angedrohten Repressalien zu werden.«

Überraschend, wie aktuell diese Worte heute, 38 Jahre später, klingen! Man braucht nur das Wort »Vietnam« durch »Irak« zu ersetzen und »Vietcong« durch »Islamisten« – und schon könnte der Artikel aus einer Zeitung dieser Tage stammen. Wenn dem aber so ist, welche Lehren sollen dann aus Vietnam gezogen worden sein?

Wir erleben nichts anderes als das Echo aus vergangenen Tagen, nur mit neu aufbereiteten Lügen, die wieder und wieder dazu benutzt werden, die junge Generation für das Imperium in den Kampf zu schicken, um Korruption von Staat und Wirtschaft daheim und den Massenmord an überfallenen Völkern unter Einsatz ihres Lebens zu verteidigen.

Haben die Medien aus der damaligen Erfahrung etwa die Lehre gezogen, daß sie nicht einfach blind dem Diktat von Militär und Regierungsvertretern folgen dürfen, wenn es um Fragen von Krieg und Frieden geht? Haben die Verantwortlichen in Kunst und Kultur etwa gelernt, daß es wichtig ist, seinen Willen nicht den Stimmungsschwankungen im Lande zu unterwerfen? Hat die Justiz etwa gelernt, daß Krieg immer der Feind der Freiheit ist und daß es falsch ist, mit der geballten Polizeimacht gegen große Bevölkerungsgruppen vorzugehen, weil sie aus ethnischen und religiösen Motiven gegen den Krieg sind? Haben Politiker etwa gelernt, daß man Kriege nicht auf der Basis von Lügengespinsten entfesseln darf?

Welche Lehren wurden also wirklich aus dem Vietnamkrieg gezogen? Nicht eine einzige! Und weil nichts aus der Geschichte gelernt wurde, fahren wir fort, von einer Katastrophe in die nächste zu stolpern und immer wieder in die Falle des Imperiums zu tappen, dessen Verfechter meinen, ihnen komme die heilige Aufgabe zu, über andere Völker zu herrschen.

Gore Vidal, der zurecht als ein Weiser dieses Landes angesehen wird, spricht äußerst kritisch über die heutige Zeit und welche Zukunft in ihr erkennbar ist. In einem Interview, das er vor kurzem den City Pages in Minneapolis gab, erklärte er: »Wir können sagen, daß die alte amerikanische Republik samt und sonders tot ist. Es hat sich gezeigt, daß die Institutionen, von denen wir dachten, daß sie ewig bestehen würden, dies nicht tun. Und das trifft auf die drei Gewalten der Regierung ebenso zu wie auf die Grundverfassung des Staates, die Bill of Rights. Wir befinden uns also auf unbekanntem Territorium. Wir werden von Public-Rela-tions-Managern regiert. Dank der korrupten Haltung und/oder der Unfähigkeit der Medien erhält die Bevölkerung nur unzureichende Informationen.«

In seiner ablehnenden Bewertung des Irak-Krieges war Vidal nicht weniger scharf: »Irak ist ein Symptom, nicht das eigentliche Problem. Es ist ein Symptom unserer Gier nach Öl, das eine nicht erneuerbare Ressource dieser Welt ist. Alternativen könnten gefunden werden, aber sie werden so lange nicht gefunden, wie noch ein Tropfen Öl oder ein Kubikzentimeter Erdgas aus anderen Ländern herausgesaugt werden kann, vorzugsweise unter Anwendung von Gewalt durch die Regierungsjunta, die im Moment über unsere Angelegenheiten entscheidet. Der Irak-Krieg wird mit unserer Niederlage enden.«

(Übersetzung: Jürgen Heiser)

junge Welt vom 18.6.2005

Donnerstag, 23. Juni 2005

Befehlsverweigerung aufgrund von Gewissensentscheidung möglich

Das Bundesverwaltungsgericht hat einen Soldaten freigesprochen, der sich im April 2003 weigerte, an der Entwicklung einer Software mitzuarbeiten, mit der die Bundeswehr möglicherweise den Irak-Krieg unterstützen könnte

War der Irak-Krieg völkerrechtswidrig? Und hat sich die Bundesregierung, als sie während der Vorbereitung des Krieges Bundeswehrsoldaten mit Fuchs-Spürpanzern in Kuwait stationierte, deutsche Soldaten bei AWACS-Flügen am Rande des Kriegsgebiets mitfliegen ließ und den amerikanischen Militärflugzeigen Überflug- und Landerechte während des Kriegs gewährte, schuldig gemacht, weil sie einen Angriffskrieg unterstützte? Der Generalbundesanwalt hatte 2003 Klagen gegen die Bundesregierung wegen Beihilfe zur Vorbereitung eines Angriffskriegs abgewiesen. Das Bundes-verwaltungsgericht hat nun jedenfalls entschieden, dass ein Bundeswehrangehöriger Befehle aufgrund seiner Gewissensentscheidung nicht befolgen musste, wenn nicht ausgeschlossen werden könne, dass damit Kriegshandlungen im Irak mit unterstützt werden.

Der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig hatte einen Fall zu entscheiden, bei dem ein Major der Bundeswehr, Florian Pfaff, sich im April 2003 dem Befehl seines Vorgesetzten verweigerte, bei der Entwicklung einer militärischen Software mitzuarbeiten. Aus der Mitteilung des Bundesverwaltungsgerichts geht allerdings nicht hervor, um welche Software es sich gehandelt hatte, es soll sich um ein Programm zur Materialbeschaffung gehandelt haben.

Der Major begründete seine Weigerung damit, dass er es nicht mit seinem Gewissen vereinen könne, damit an dem von ihm als völkerrechtswidrig angesehenen Irak-Krieg mitzuwirken, da sein Vorgesetzter es nicht ausschließen konnte, dass die Software von der Bundeswehr eingesetzt werden könnte, wenn diese wiederum in irgendeiner Form den Krieg gegen den Irak unterstützt. In diesem Zusammenhang wies er auf die Stationierung von Soldaten in Kuwait und deren Beteiligung an Übungen, die Beteiligung an den AWACS-Flügen, die Bewachung von US-Stützpunkten in Deutschland und die Gewährung von Überflug- und Landerechten für Militärflugzeuge zur Versorgung der US-Soldaten im Irak.

Die Bundeswehr reagierte auf die Befehlsverweigerung mit einer Zurückstufung des Dienstgrads. Dagegen hatte der Soldat Einspruch erhoben und verlangt, dass er von der Beschuldigung, ein Dienstvergehen begangen zu haben, freigesprochen wird. Auf der anderen Seite hat auch der Wehrdisziplinaranwalt Berufung eingelegt und verlangt, den Soldaten ganz aus der Bundeswehr zu entlassen.

Der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts hat nicht darüber zu entscheiden, ob der Krieg gegen den Irak völkerrechtswidrig war und die Bundesregierung mit der Unterstützung des Krieges gegen das Grundgesetz verstoßen hat, wie dies auch nach Rechtsexperten der Fall war.

--Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.-- Art. 26.1 GG

Auf der anderen Seite hat das Bundesverwaltungsgericht die Gewissensentscheidung des Majors anerkannt. Er habe nicht gegen die Gehorsamspflicht als Soldat verstoßen, da auch ihm das Grundrecht auf Gewissensfreiheit zustehe, selbst wenn er keinen Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer gestellt habe. Überdies sei "die gebotene gewissensentlastende Konfliktlösung durch eine anderweitige Verwendung des Soldaten erfolgt".

Die Gewissensentscheidung wurde also, da ihre "Ernsthaftigkeit" glaubhaft dargelegt wurde, in diesem Fall höher bewertet als die Gehorsamspflicht, weil auch die Bundeswehr "ausnahmslos an 'Recht und Gesetz' (Art. 20 Abs. 3 GG) und insbesondere an die Grundrechte uneingeschränkt gebunden" bleiben. Eine Berufung auf "militärische Zweckmäßigkeit oder Funktionsfähigkeit" könne das Grundrecht nicht einschränken. Nun könnte sich also fragen, wenn der Major nach Ansicht des Gerichts seine Gewissensentscheidung, nicht an einem völkerrechts- und grund-gesetzwidrigen Angriffskrieg mitwirken zu wollen, glaubhaft machen konnte, daraus auch folgt, dass es sich um einen solchen gehandelt hat. Oder ist das nur eine Frage des subjektiven Gewissens? Für die Bundeswehr könnten durch dieses Urteil schwere Zeiten entstehen. Möglicherweise auch
für die noch amtierende Bundesregierung.

Florian Rötzer

telepolis vom 22.6.2005

Keine Napalm-Bomben im Irak, nur MK77-Brandbomben

Napalm-ähnliche Bomben, die zu chemischen Waffen zählen, wurden von den US-Truppen im Irak eingesetzt - auch gegenüber dem britischen Verteidigungsministerium wurde dies abgestritten

Napalm-Bomben haben die USA massenweise im Korea- und im Vietnam-Krieg eingesetzt aber auch schon im Zweiten Weltkrieg. Napalm haftet am Körper, verursacht schwere Verletzungen und ist ein Gemisch, das langsam, aber sehr heiß verbrennt. Auch im ersten Golfkrieg wurden 500 Napalm-Bomben abgeworfen, angeblich überwiegend, um brennende Ölgräben zu löschen, die die Iraker angelegt hatten. Das Pentagon hat zwar die alten Napalm-Bomben vernichtet, aber mit der MK77 eine neue Brandbombe mit ähnlichen Wirkungen geschaffen, die auch während der Invasion in den Irak eingesetzt wurde.

Als Napalm bezeichnet man ein Gemisch aus Benzol, Benzin und Polystyrol. Nachdem Napalm weltweit geächtet und der Einsatz von Brandbomben gegen Zivilisten durch ein internationales Abkommen verboten wurde (dem die USA aber nicht beigetreten sind), hat das Pentagon die Napalm-Bestände vernichtet, aber gleichzeitig mit der Brandbombe MK77 einen Ersatz geschaffen. Da diese ein anderes Gemisch enthält, nämlich statt Benzin Kerosin, sei die MK77 kein Napalm, betont das Pentagon. Allerdings sind Brandbomben, gleich ob "richtiges" Napalm oder die MK77, chemische Waffen und gehören damit zu der Gattung der Massenvernichtungswaffen.

Die Bush-Regierung hat den Krieg gegen den Irak mit dessen Einsatz von Massenvernichtungswaffen gegen die Kurden begründet (aber vergessen, dass die USA nicht nur Napalm - 340.000 Tonnen in Vietnam - , sondern als einziges Land auch Atomwaffen eingesetzt haben; überdies will das Pentagon auch neue Nuklearwaffen entwickeln). Zudem wird der globale Krieg gegen den Terrorismus auch dadurch legitimiert, dass verhindert werden soll, dass Terroristen Massenvernichtungswaffen erhalten und einsetzen können. Die Verwendung von Brandbomben ist also ein heikles politisches Thema der Glaubwürdigkeit, was sich auch daran erkennen lässt, dass das Pentagon den Einsatz zunächst strikt abgestritten hatte, als Informationen über den Abwurf von Napalm-Bomben in Tora Bora und später beim Einmarsch in den Irak zirkulierten. General Franks sagte am 14. Dezember zu Tora Bora: "We're not using -- we're not using the old napalm in Tora Bora." Es kam damals in der Pressekonferenz keine Nachfrage, allerdings implizierte die Antwort, dass wohl ein "neues" Napalm eingesetzt worden ist.

"The generals love napalm. It has a big psychological effect"

Am 22.3.2003 berichtete etwa der "eingebettete" Reporter Lindsay Murdoch vom Sydney Morning Herald, dass die US-Truppen nach Auskunft eines Offiziers schon beim Einmarsch in den Irak "Napalm" auf Safwan Hill, einem Stützpinkt irakischer Truppen nahe der Grenze zu Kuwait, abgeworfen hätten. Das aber wurde vom Pentagon abgestritten, die schnell eine "Richtigstellung" an die Zeitung schickten, obgleich dies auch von einem CNN-Reporter gemeldet worden war:

Your story ('Dead bodies everywhere', by Lindsay Murdoch, March 22, 2003) claiming US forces are using napalm in Iraq, is patently false. The US took napalm out of service in the early 1970s. We completed destruction of our last batch of napalm on April 4, 2001, and no longer maintain any stocks of napalm. - Jeff A. Davis, Lieutenant Commander, US Navy, Office of the Assistant Secretary of Defense.

Im August 2003 räumte dann allerdings ein Pentagon-Sprecher, der aber anonym bleiben wollte, gegenüber dem Sydney Morning Herald ein, dass man MK77-Brandbomben auf Sawfan Hill abgeworfen habe:

It is like this: you've got (an) enemy that's hard to get at. And it will save your own lives to use it, and there is no international contraventions against it.

Auch gegen irakische Truppen an mindestens zwei Brücken wurden diese Bomben eingesetzt, wie Colonel Randolph Alles gegenüber der San Diego Tribune bestätigte:

We napalmed both those (bridge) approaches. Unfortunately, there were people there because you could see them in the (cockpit) video. They were Iraqi soldiers there. It's no great way to die. … The generals love napalm. It has a big psychological effect.

Mit der Betonung, dass die MK77 keine Napalm-Bombe ist, gab auch Colonel Mike Daily den Einsatz von Brandbomben zu. Er erklärte, dass zwar viele die MK77 als Napalm bezeichnen würden, weil ihre "Wirkung auf Ziele bemerkenswert ähnlich" sei. Aber Napalm-Bomben seien es eben nicht, diese seien vernichtet worden und nicht mehr im Einsatz. Die MK77s sind so genannte dumb bombs, die nicht präzis auf einen Feind abgeworfen werden können. Deren Einsatz gerade in städtischen Gebieten kann "Kollateralschäden" nicht ausschließen.

Auch während der Bombardierung und Einnahme von Falludscha im November 2004 sollen Brandbomben zum Einsatz gekommen sein. Diese Behauptung, die beispielsweise auch auf Islam Online verbreitet wurde, hat zu einem weiteren, außergewöhnlich umfangreichen offiziellen Dementi geführt:

The United States categorically denies the use of chemical weapons at anytime in Iraq, which includes the ongoing Fallujah operation. Furthermore, the United States does not under any circumstance support or condone the development, production, acquisition, transfer or use of chemical weapons by any country. All chemical weapons currently possessed by the United States have been declared to the Organization for the Prohibition of Chemical Weapons (OPCW) and are being destroyed in the United States in accordance with our obligations under the Chemical Weapons Convention.: Statement des Pentagon vom 12. 11.2004

Das US-Außenministerium konkretisierte zudem, dass auch keine "Napalm-ähnlichen Waffen" wie MK77s in Falludscha eingesetzt worden seien. Hierzu scheint es aber bislang keine neuen Kenntnisse zu geben.

Nun haben die "Napalm-ähnlichen Waffen", die aber kein Napalm sind, weil sie angeblich der Umwelt weniger Schaden würden, zu einem weiteren Problem geführt. Das Pentagon hatte nicht nur zunächst die Öffentlichkeit getäuscht, sondern offenbar auch die britischen Alliierten. Adam Ingram vom britischen Verteidigungsministerium hatte den Labour-Abgeordneten noch im Dezember 2004 versichert, dass die US-Truppen im Irak kein Napalm eingesetzt hätten. Am 11. Januar 2005 konkretisierte er die Angaben auf eine Frage des Abgeordneten Harry Cohen im Parlament und erklärte, dass auch keine Brandbomben des Typs MK77 eingesetzt worden wären:

The United States have confirmed to us that they have not used Mark 77 firebombs, which are essentially napalm canisters, in Iraq at any time. No other Coalition member has Mark 77 firebombs in their inventory.
Adam Ingram

Der Independent berichtet jetzt, dass der Zeitung ein Brief von Ingram an den Abgeordneten Harry Cohen zugespielt worden ist, in dem er einräumte, die Abgeordneten im Januar unbeabsichtigt angeschwindelt zu haben, weil er selbst falsch von den Amerikanern informiert wurde:

Die USA bestätigten meinen Mitarbeitern, dass sie zu keiner Zeit MK77s im Irak eingesetzt hätten, und das war die Grundlage meiner Antwort. Ich bedaure sagen zu müssen, dass ich seitdem entdeckt habe, dass dies nicht zutrifft und muss daher die Aussage korrigieren.

So seien zwischen dem 31. März und dem 2. April 2003 30 MK77s gegen militärische Ziele - und "entfernt von zivilen Zielen" - eingesetzt worden. Auch wenn das Abkommen über das Verbot von Brandbomben von den USA nicht ratifiziert wurde, so hatte dies Großbritannien getan und könnte damit als Bündnispartner in Schwierigkeiten geraten (allerdings hatten britische Truppen im Irak auch die geächteten Streubomben verwendet). Cohen will nun auch wissen, ob nicht doch auch in Falludscha und gegen zivile Ziele Brandbomben eingesetzt worden sind.

Florian Rötzer

telepolis vom 18.6.2005

Katastrophale Lage im Zweistromland

Internationale Konferenz in Brüssel berät heute über die Zukunft Iraks / Lebensbedingungen haben sich seit Washingtons Invasion verschlech-tert

Von Karin Leukefeld

Auf einer Internationalen Irak-Konferenz in Brüssel soll am heutigen Mittwoch über die wirtschaftliche und politische Zukunft des Landes gesprochen werden.

Die Konferenz sei auf Wunsch der Iraker einberufen worden, heißt es. Man wolle »der neuen irakischen Übergangsregierung die Gelegenheit geben, ihre Vision von politischen Kernpunkten und Strategien für die Übergangsperiode bis zu den nächsten Wahlen Ende des Jahres vorzustellen«, so USA-Außenamtssprecher Richard Boucher. Das Auswärtige Amt in Berlin nutzte die gleiche Wortwahl wie Boucher und kündigte an, Außenminister Joschka Fischer werde an dem Treffen teilnehmen. Tatsächlich stammt die Idee für die Konferenz von George W. Bush. USA-Außenministerin Condoleezza Rice und Jean Asselborn, der luxemburgische Außenminister, besprachen Anfang Juni in Washington Details. Die Bitte der irakischen Regierung, artig vorgebracht von Außenminister Hoschjar Zebari, folgte erst danach.

Auf wessen Wunsch auch immer, sowohl die USA-Regierung als auch Irak brauchen internationale Hilfe. Die anhaltende Besatzung des Landes aber, die für viele Iraker nach wie vor das größte Problem ist, wird auf dem Treffen zumindest offiziell kein Thema sein. Rund 80 Staaten, vertreten durch ihre Außenminister, werden in Brüssel erwartet. Für die Arabische Liga reist deren Generalsekretär Amr Mussa an. Auch Kofi Annan, Generalsekretär der Vereinten Nationen, will kommen. Die irakische Delegation mit 40 Personen, darunter mindestens acht Minister, wird von Außenminister Hoschjar Zebari geleitet. Auch internationale Hilfsorganisationen werden das Treffen nutzen, um ihre humanitären Dienste für das durch Embargo, Krieg und Besatzung zerrüttete Zweistromland anzubieten.

Jenseits des illustren Sehen- und Gesehenwerdens werden die Iraker in drei Diskussionsrunden über die wirtschaftliche Lage und den Wiederaufbau, über die öffentliche Sicherheit sowie die Entwicklung der Übergangsperiode informieren. Berichte internationaler Organisationen wie dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP), dem Internationalen Roten Kreuz, Amnesty International und nicht zuletzt von Irakern selber, die kürzlich bei einer Umfrage des irakischen Planungsministeriums bekannt wurden, machen deutlich, dass sich die Lebensbedingungen seit der USA-Invasion im März 2003 kontinuierlich verschlechtert haben. Während in den ländlichen Gebieten die anhaltenden Militäroperationen die Bevölkerung drangsalieren, werden die irakischen Städte von Anschlägen und einer immensen Kriminalität erschüttert.

Die Einwohner von Bagdad erhalten nur alle vier Stunden für zwei Stunden Strom, die Wasserversorgung ist unzuverlässig. Die Arbeitslosigkeit liegt inoffiziell bei mindestens 60 Prozent, die Gesundheitsversorgung ist schlecht, 25 Prozent der Kinder zwischen sechs Monaten und fünf Jahren leiden unter chronischer Unterernährung. Hoch qualifizierte Wissenschaftler und Ärzte, die das Land so dringend braucht, verlassen Irak. Mehr als 300 ihrer Kollegen wurden seit dem Sturz des alten Regimes 2003 von unbekannten Tätern ermordet. Das größte Problem seien die täglichen Gefahren für die Iraker, so Boulam Aktouf, der UNDP-Leiter für den Irak. Ein so unsicheres Land sei gar nicht in der Lage, die Bevölkerung mit den notwendigen Dingen zu versorgen.
Die Sicherheitslage wird so ein zentrales Thema in Brüssel sein.

Washington drängt die EU-Staaten, einer NATO-Mission in Irak zuzustimmen. Bisher haben sich vor allem Deutschland und Frankreich noch dagegen gewehrt. Der irakische Außenminister Hoschjar Zebari besuchte am Tag vor Konferenz-beginn das NATO-Hauptquartier in Brüssel. Er wünsche sich, dass die NATO die neue irakische Armee ausbilde, so der Minister. Einer AP-Meldung zufolge will die NATO schon im September eine Trainingseinrichtung außerhalb von Bagdad eröffnen. In einem Interview mit der »New York Times« sagte Zebari, niemand solle die Gefahren in Irak unterschätzen. Ein Scheitern der Regierung in Bagdad werde nicht nur in der Region, sondern weltweit zu spüren sein.

Neues Deutschland, 22.6.2005

Rezension: Kriege zur Neuordnung der Welt

Sämtliche traditionellen Ordnungskriterien und Verfügungssysteme sind zusammengebrochen - Wolfgang Scheler und Ernst Woit legen ein neues Buch vor

Wolfgang Scheler/Ernst Woit (Hg.): Kriege zur Neuordnung der Welt. Imperialismus und Krieg nach dem Ende des Kalten Krieges. Kai Homilius Verlag: Berlin 2004; 306 Seiten; 24,80 Euro (ISBN 3-89706-878-8)
Mit Beiträgen von Erhard Crome, Hans-Werner Deim, Hermann Hagena, Joachim Klopfer, Gerhard Kümmel, Rolf Lehmann, Wolfgang Scheler, Gregor Schirmer, Arnold Schölzel, Ernst Woit


Die Kriege der Vergangenheit brachten Staatenkonstellationen und Imperien von befristeter Dauer hervor, die angesichts der Notwendigkeit fortgesetzter Expansion schließlich ihrerseits den konstituierenden Momenten ihrer Gewaltherrschaft zum Opfer fielen und neuen Reichen unterworfen wurden. Die gegenwärtig geführten Kriege zur Neuordnung der Welt stellen demgegenüber die strategische Phase der angestrebten letztgültigen globalen Herrschaft dar, mit deren Vollendung jedwedes Potential militärischen, ökonomischen, sozialen und ideologischen Widerstands unumkehrbar in die Defensive gezwungen wäre.

Da die heute geschlagenen Schlachten das Folgeprodukt historisch festzuma-chender Entwürfe und Verläufe darstellen, drängen sich zwangsläufig gewisse Übereinstimmungen mit aus der Geschichte bekannten Mustern und Gescheh-nissen auf. So wenig man aber Ähnlichkeiten bestreiten kann, wie sie zwangsläufig an einer Abfolge aufeinander aufbauender Etappen vervollkomm-neter Gewalt herauszuarbeiten sind, so verhängnisvoll wäre es, die derzeit forcierte globale Kriegsführung samt der davon nicht zu trennenden Repression auch in den Metropolen als bloße Wiederholung immer gleicher Konflikte oder Rückfall in überwunden geglaubte Barbarei zu mißdeuten. Wenn man einmal zu der Überzeugung gelangt ist, daß die Außenpolitik im klassischen Sinn zugunsten einer globalen Innenpolitik zurückgelassen wird und Kriege demnach den Charakter weltpolizeilicher Kontroll- und Strafmaßnahmen annehmen, kommt man nicht umhin, sich mit dem vollständigen und unwiderruflichen Zusammenbruch sämtlicher traditionellen Ordnungskriterien und Verfügungs-systeme auseinanderzusetzen.

Die vielzitierte neue Weltordnung, wie sie im übrigen bereits vor Jahrzehnten als Entwurf vorformuliert wurde, ist von viel weitreichender Konsequenz, als dies gemeinhin in Erwägung gezogen wird. Da sich Geschichtsbetrachtung in aller Regel in der rückblickenden Interpretation erschöpft, die im Dienste des Postulats historischen Fortschritts früheren Epochen spezifische Negativmerkmale andichtet, über die man sich im Lichte moderner Erkenntnis erhaben glaubt, mangelt ihr jeder prognostische Nutzen, der über ihre zentrale Funktion hinausginge, das Szenario künftiger Verfügungsgewalt zu leugnen oder zu rechtfertigen. Teilt man aber die Auffassung, daß die Herrschaft des Menschen über den Menschen das konstituierende Moment seiner Geschichte darstellt, kommt man nicht umhin, künftige Schrecken nie gekannten Ausmaßes zu fürchten und sich nicht mit der vagen Hoffnung zufriedenzugeben, daß sich diesem Irrsinn gegenüber die wie auch immer gearteten Kräfte des Guten im Menschen durchsetzen müßten.

Das Gute zu postulieren und es vom Bösen abzugrenzen, macht doch gerade die Überzeugungskraft einer Bush-Administration aus, die als primitiv und borniert zu bezeichnen Wasser auf die Mühlen umfassender Denkkontrolle ist. Man prüfe nur einmal nüchtern, in welchem Ausmaß man selbst bereit ist, den Terrorbegriff anzuwenden. Gewiß wird die Grenzziehung je nach politischer Coleur etwas anders verlaufen, doch ist man mit der Übernahme dieses Verteufelungskonzepts als solcher seiner Zielsetzung längst auf den Leim gegangen. Selbst wenn man die Debatte in der Weise zu wenden meint, daß man die Protagonisten des sogenannten "Kampfs gegen den Terror" als die eigentlichen "Terroristen" geißelt, verschreibt man sich dem fundamentalen Drang, die eigene Position der Seite der Gerechten zuzuschlagen.

Auch wenn man dem Diktat monotheistischer Glaubenslehre entwachsen zu sein meint, ist die Perspektive, die eigene Rettung zu Lasten des anderen zu betreiben, von geradezu überwältigender Überzeugungskraft. Es handelt sich dabei ja um keine akademische Debatte, sondern ganz im Gegenteil um die Existenz in einer Welt, in der das befristete Überleben längst zum Privileg einer rapide schrumpfenden Minderheit geworden ist. Dies gilt um so mehr angesichts katastrophaler Umwälzungen bislang vorherrschender Versorgungslagen einer Menschheit, die künftig zu einem geringeren Bruchteil denn je Zugang zu Atemluft, trinkbarem Wasser und ausreichend Lebensmitteln haben wird.

Für die Strategen der neuen, weil letztgültigen Weltordnung muß die Sicherung dieser Existenzgrundlage die alles entscheidende Planungs- und Handlungs-maxime sein. Um den größtmöglichen Zugriff zu gewährleisten, ist eine administrative Kontrolle globalen Ausmaßes unabdingbar, die eine nie zuvor gekannte Unterjochung und Ausmerzung aller potentiell widerständigen Kräfte bis hinein in die Denkweise voraussetzt. Da Menschen zu Millionen an Durst, Hunger und Krankheit zugrundegehen, darf daraus nach Maßgabe der Eliten nie wieder eine Revolte hervorgehen, die sich zu einer Wirkgewalt sammelt und verdichtet, welche das fundamentale Ordnungssystem bestreitet und sich zu dessen Umwälzung anschickt.

Aus der Durchsetzung dieses Entwurfs resultiert das weltweite Wüten einer Kriegsmaschinerie, deren monströses Ausmaß auch der gegenwärtige Boom des Waffengeschäfts illustriert. Wie aus dem soeben vorgestellten "Jahrbuch zu Rüstung und Abrüstung" des Stockholmer Friedensforschungsinstituts (Stockholm International Peace Research Institute - SIPRI) hervorgeht, sind die internationalen Rüstungsausgaben im vergangenen Jahr auf die rekordverdächtige Summe von 1,05 Billionen Dollar (844 Milliarden Euro) gestiegen, woran die USA mit nahezu der Hälfte (47 Prozent) beteiligt sind. Im Jahr zuvor hatten die weltweiten Ausgaben für Rüstung eine Gesamtsumme von 956 Milliarden Dollar erreicht.

Seit 1995 wuchsen die Militärausgaben um 2,4 Prozent und seit 2002 um sechs Prozent jährlich, so daß sie inzwischen fast das Niveau aus Zeiten des Kalten Krieges erreichen. Die Rüstungsausgaben sämtlicher Staaten beliefen sich 2004 auf umgerechnet 162 Dollar (132 Euro) für jeden Menschen auf der Welt.

Die USA dominieren dabei sowohl die Produktion als auch den Verkauf von Rüstungsgütern und besitzen heute nach allen nur denkbaren Zählweisen eine klare Vormachtstellung. Allein die zusätzlichen Aufwendungen der US-Regierung für ihren "Krieg gegen den Terror" überstiegen seit 2003 mit 238 Milliarden Dollar alle Militärausgaben in Afrika, Lateinamerika und Asien (unter Einschluß Chinas, aber ohne Japan) zusammengenommen. Mit 38 der hundert weltweit führenden Rüstungsproduzenten und einem Marktanteil von 63,2 Prozent (Zahlen für 2003) beherrschen die USA auch die internationale Waffenherstellung. Auf die 42 führenden europäischen Rüstungsunternehmen, darunter auch sechs russische Anbieter, entfielen von den Gesamtverkäufen im Wert von 236 Milliarden Dollar 30,5 Prozent.

Der Bericht des Stockholmer Instituts belegt zudem, daß sich die führenden Waffenhersteller enorm vergrößert haben und inzwischen mit multinationalen Großunternehmen zu vergleichen sind. So seien die Umsätze der hundert führenden Waffenfirmen größer als das zusammengerechnete Bruttosozialprodukt der 61 ärmsten Länder der Welt.

Verglichen mit den immensen Aufwänden im Dienst der Kriegsführung nehmen sich die Hilfszahlungen die führenden Industrienationen für die armen Länder lächerlich gering aus. Indessen schlägt sich diese Diskrepanz nicht im öffentlichen Bewußtsein nieder, denn wie jüngste Meinungsumfragen zeigen, glaubt beispielsweise eine Mehrheit der Amerikaner, daß ihr Land etwa 24 Prozent seines Staatshaushalts für Hilfsgelder zur Linderung der Armut in der Welt aufbringe. Die Fehleinschätzung könnte kaum größer sein, sind es doch derzeit nur verschwindend geringe 0,16 Prozent. Jeffrey Sachs, ein Ökonom der Columbia University, der den Vorsitz des Millennium-Projekts der UNO innehat, bezeichnete daher die Annahme, eine Flut US-amerikanischer Hilfsgelder fließe nach Afrika, als eine der größten nationalen Mythen der USA.

Ungeachtet der Tatsache, daß die Vereinigten Staaten vor drei Jahren die UNO-Deklaration mitunterzeichnet haben, wonach die reichen Länder ihre Hilfszahlungen bis 2015 auf 0,7 Prozent ihres Haushalts aufstocken wollen, sind die USA bislang nicht über die genannten 0,16 Prozent hinausgekommen. Großbritannien, Frankreich und Deutschland haben zumindest Pläne angekündigt, wie sie den vereinbarten Betrag zu erreichen gedenken, doch nicht einmal ein derartiges Täuschungsmanöver hat die US-Regierung für nötig erachtet. Fakten und öffentliches Bewußtsein klaffen inzwischen so weit auseinander, daß die von der Bush-Administration dieser Tage in Aussicht gestellte Anhebung ihrer Hilfszahlungen um nicht einmal 0,007 Prozent des Bruttoinlandsprodukts allen Ernstes in einer vor Krokodilstränen triefenden Debatte um Hunger und Elend in der Welt als Zeichen des guten Willens gelobt wurde.

Doch selbst wenn es tatsächlich die in der UNO-Deklaration fiktiv angepeilten 0,7 Prozent wären, entspräche dies mit rund 80 Milliarden Dollar in etwa dem Betrag, den der US-Senat soeben als Aufstockung der Militärausgaben für die andauernde Okkupation des Irak bewilligt hat. Bei dem Argument angeblich fehlender Mittel handelt es sich daher um eine gezielte Irreführung, wie beispielsweise die im vergangenen Jahr um fast 140 Milliarden Dollar gesenkten Unternehmens-steuern belegen.

Während die reichen Industrienationen eine noble Absicht und Anstrengung vorhalten, die Armut in der Welt zurückzudrängen, sprechen ihre Taten eine vollständig andere Sprache. Man sollte auch in dieser Hinsicht der internationalen Arbeitsteilung der führenden Mächte nicht auf den Leim gehen, wie dies das Gros der Medien in Reaktion auf den pompös präsentierten Plan zur Entschuldung Afrikas gerade getan hat. Der britische Premier Tony Blair gerierte sich als Speerspitze vorgetäuschter Hilfbereitschaft der Europäer, der gegenüber die US-Regierung einmal mehr knauserte wie Dagobert Duck. Das gab Stoff, Empörung abzuarbeiten und sich frierend vor Gemütlichkeit in einer Welt moralischer Scheingefechte einzurichten.

Es ist bezeichnend für die aktuelle Diskussion um Roß und Reiter der neuen Kriege, daß die Benennung ihrer letztendlichen Agenten außerordentlich schwerfällt und sich mit jeder vorschnellen Aufklärung nur um so bereitwilliger im sich verdichtenden Nebel der Verschleierung verläuft. So neigt eine zahlenmäßig starke Fraktion dazu, ein Chaos regionaler Konflikte überwiegend nichtstaatlicher Akteure, privatisierten Kriegshandwerks und ethnischer Konflikte zu beklagen, dessen wesentliches Manko das Fehlen staatlicher Ordnung sei. Diese Sichtweise verliert sich in den Erscheinungsformen und dient sich regulierenden Mächten an, die sich der entfesselten Vernichtungswut der um das Überleben ringenden regionalen Kriegsherrn zu ihren eigenen Zwecken bedienen. Man denke in diesem Zusammenhang nur an die heute so gern zur Charakterisierung jedweder regionalen Konflikte zitierte "Balkanisierung", die ursächlich keineswegs ein zum Ausbruch drängender Gärungsprozeß unter den dort lebenden Völkern war, sondern im Gegenteil die gezielte Zerschlagung des jugoslawischen Staates, der die angeblichen Erzfeinde lange und erfolgreich in Koexistenz und Kooperation verbunden hatte.

Zweifellos sind kapitalistische Wirtschaftsweise und nationale Basis in zu benen-nenden Metropolen Wesensmerkmale der dominanten Linie innovativer Verfügungsgewalt. Dennoch wäre es zu kurz gegriffen, allein auf die USA als aggressivsten Kriegstreiber zu verweisen und die Analyse damit zu beschließen, da dieser Rückfall in ein nationalstaatliches Konzept den überstaatlichen Charakter administrativer Regulation sträflich vernachlässigt. Die Existenz rivalisierender Staaten, konkurrierender Profitinteressen und in ihrer Lebensweise widerstreitender Kollektive birgt noch immer die Unwägbarkeit nicht kalkulierbarer Verläufe, so daß sie einem Entwurf endgültiger Funktionszuweisung und Ressourcenzuteilung im Wege steht.

Das letzte Wort der Analyse ist also noch nicht gesprochen, wie auch die Durch-setzung einer unumkehrbaren Ordnung auf den Weg gebracht, doch beileibe nicht vollendet ist. Um so unverzichtbarer ist daher die Auseinandersetzung mit den Kriegen zur Neuordnung der Welt, zu der der Ende vergangenen Jahres im Berliner Kai Homilius Verlag erschienene Sammelband der Herausgeber Ernst Woit und Wolfgang Scheler einen ebenso fundierten wie die Debatte befruch-tenden Beitrag liefert.

Wie schon der Blick in den biographischen Anhang zeigt, kommen in der wohlbedacht zusammengestellten Sammlung Autoren zu Wort, die man mit Fug und Recht als langjährige Experten auf diesem Gebiet bezeichnen kann. Bemer-kenswerterweise finden sich darunter etliche ehemalige Generäle der NVA und der Bundeswehr, was jeder Spekulation, es könne sich bei dem zweiten Band der Reihe Globale Analysen womöglich um eine Außensicht ohne intime Kenntnis der Materie handeln, von vornherein den Boden entzieht. Daß auch und gerade vormals hochrangige Offiziere und Militärtheoretiker der DDR trittsichere und weitreichende Analysen und Einschätzungen präsentieren, kann indessen nur dann erstaunen, wenn man die Konfrontation konkurrierender Gesellschafts-systeme auf so umfassende Weise ad acta gelegt hat, wie dies die Protagonisten einer unilateralen Ordnung gerne hätten.

Das von den Friedensforschern Ernst Woit und Wolfgang Scheler, zwei namhaften Mitgliedern der "Dresdner Studiengemeinschaft Sicherheitspolitik", herausgege-bene Kompendium über alte und neue Kriege, ihre Voraussetzungen und die Strategien ihrer Rechtfertigung entlarvt den sogenannten "Krieg gegen den Terror" als Schimäre, welche die eigentlichen Kriegsziele der angestrebten Neuordnung der Welt verschleiert. Ernst Woit, der mit zwei eigenen Beiträgen im Sammelband vertreten ist, befaßt sich in einem Anhang mit dem allgegenwärtigen Terrorismusbegriff, der heutzutage wie ein Glaubensbekenntnis jeder halbwegs bedeutsamen Politikerrede vorangestellt wird und längst als unhinterfragtes Allgemeingut im Denken der Menschen Wurzeln geschlagen hat. Mit seiner Untersuchung des sogenannten "Terrors" öffnet der Dresdner Professor die Tür zu einer kritischen Auseinandersetzung mit den Urhebern dieser Kampagne, die ein innovatives Konzept des verwerflichen Unmenschen jenseits aller akzeptablen Motive und Handlungsweisen in die Welt gesetzt und zur Begründung ihrer Kriegszüge herangezogen haben.

Der einleitende Beitrag aus der Feder Arnold Schölzels führt den Leser in leicht nachvollziehbaren Schritten zugleich so tief ins Thema ein, daß der Analyse von Mitherausgeber Wolfgang Scheler über die alte Frage nach dem Wesen des Krieges der Weg bereitet ist. Scheler, der früher einen Lehrstuhl für Philosophie an der Militärakademie der NVA innehatte, kann auf langjährige Forschungen zurückblicken, die ihm erlauben, die neuen Kriege fundiert und plausibel unter die Lupe zu nehmen. Er kritisiert in diesem Zusammenhang die Untersuchung des Berliner Historikers Herfried Münkler zum selben Thema und erörtert zudem Lösungsansätze, die es nicht mit der vermeintlichen Unausweichlichkeit des Krieges bewenden lassen.

Mitherausgeber Ernst Woit bleibt in seinen Beiträgen zur Strategie und Ideologie der Rechtfertigung imperialistischer Kriege und zur asymmetrischen Kriegsfüh-rung seinem Ruf als Humanist und unermüdlicher Warner treu. Er widerlegt klar und wissenschaftlich fundiert die Propaganda der Fürsprecher von Gewalt und Krieg.

Von besonderem Interesse sind zweifellos auch die Beiträge der ehemaligen Militärs Hans-Werner Deim, Hermann Hagena, Rolf Lehmann und Joachim Klopfer. Hier werden Vorbereitung und Durchführung von Kriegen gewisser-maßen auf der Seite der "Hardware" erläutert und in einen umfassenderen Kontext gestellt. So legt Brigadegeneral a.D. Hagena die Weltkriegspläne der USA dar, wobei er neben deren weitreichenden Möglichkeiten auch die damit verbundenen Risiken charakterisiert. Die beiden Dresdner Militärwissenschaftler Lehman und Klopfer präsentieren russische Auffassungen zum Charakter von Kriegen und militärischen Konflikten der Gegenwart und Zukunft. In einem zusammenfassenden Abriß stellen sie eine verständliche und präzise Analyse des militärischen Denkens im heutigen Rußland vor, die um aufschlußreiche Beispiele und Zahlen sachdienlich ergänzt wird.

Gregor Schirmer befaßt sich mit völkerrechtlichen Aspekten der gegenwärtigen Kriegsrenaissance und mahnt ein zeitgemäßes Friedensvölkerrecht an:

"In der neuen Sicherheitsdoktrin gehen die USA weit über jede bisherige Auslegung des Selbstverteidigungsrechts hinaus. Es werden Selbstverteidigungs-rechte proklamiert, die nichts anderes als ein neues, kaum begrenztes ius ad bellum bedeuten. Erstens beanspruchen die USA das Selbstverteidigungsrecht nicht nur für einen bevorstehenden, nicht mehr anders abwendbaren Angriff, sondern für einen möglichen Angriff irgendwann in der Zukunft. Zweitens erfinden sie Tatbestände, die mit einem bewaffneten Angriff nichts mehr zu tun haben. Zuerst Menschenrechtsverletzungen, dann Unterstützung von Terrorismus, dann Besitz von Massenvernichtungswaffen, dann die Existenz eines diktatorischen Regimes. Drittens sollen auch nichtstaatliche, private Akteure bewaffnete Angriffe im Sinne von Art. 51 durchführen können und damit das Selbstverteidigungsrecht auslösen. Viertens werden keine Mittel für diese 'Selbstverteidigung' ausgeschlossen, auch die atomaren nicht. Fünftens wird das Privileg dieser Selbstverteidigung offenbar nur den USA und ihren jeweiligen Verbündeten zugebilligt und dem Rest der Staaten, auf jeden Fall den 'Schurkenstaaten' verweigert."

Gerhard Kümmel setzt sich in seinem Beitrag mit dem Phänomen des soge-nannten Selbstmordanschlags auseinander, der insbesondere als extreme Kampfform militärisch unterlegener Völker gegen übermächtige Besatzungs-mächte von wachsender Bedeutung in den Auseinandersetzungen ist. Und schließlich prüft Erhard Crome die friedenssichernden Potenzen der Bewegung der Sozialforen im Kontext seiner imperialismuskritischen Analyse.

Wenn es im Vorwort der Herausgeber heißt, das vorliegende Buch wolle ein Angebot zur Diskussion machen und zu humanistischem Denken und Handeln herausfordern, kann man als interessierter Leser die Umsetzung dieser Intention als rundum gelungen bezeichnen. Legen schon die einzelnen Beiträge für sich genommen wesentliche Aspekte des Themas sachkundig dar, so bietet die Zusammenschau um so mehr Anhaltspunkte für die weitere Beschäftigung mit diesem Komplex, weshalb die Freude an der Rezeption qualitativ hochwertiger Analysen nahtlos in eine fortgesetzte Entwicklung der darin aufgeworfenen Fragen übergehen kann.

* Diese Besprechung erschien in der elektronischen Zeitschrift "Schattenblick"
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